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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen
Autoren: Melanie Barbera
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auch kein Charakterzug, den sie nur spielte, weil er chic war. Sie trug ihr Kinn hoch, denn sie hatte allzu offenbar jegliches Recht dazu, zudem ließ sie andere Menschen gerne spüren, dass sie ihnen überlegen war. Mit Personal sprang sie um, als handle es sich bei ihnen um dressierte Affen, und mit anderen Mädchen in ihrem Alter wechselte sie bis auf eine Ausnahme niemals ein Wort. Sie spottete über jeden, der nicht ihr Maß an Perfektion erreichen konnte und sie hatte niemals ein Einsehen. Wie oft hatte Tony schon versucht, sie zu mehr Bescheidenheit und Freundlichkeit zu bewegen? Guinievaire war gnadenlos geblieben. Es war keiner ihrer schönsten Züge.
    Dennoch, Tony sah die meiste Zeit darüber hinweg, dass sie unter ihrer funkelnden Hülle nicht vollkommen war. Wie könnte er dies auch von ihr erwarten? Sie drückte seine Hand und er hätte sie gerne geküsst, aber wie immer mussten sie sich in Zurückhaltung üben. Also sahen sie sich in die Augen und lächelten und gaben vor, dies sei ihnen genug.
    Die Tür öffnete sich derweil wieder und diesmal drehten sowohl Tony als auch Guinievaire sofort die Köpfe. Victoria Anderton trat ein, die Guinievaires beste und einzige Freundin war. Er kannte sie schon seit längerer Zeit. Sie war ein nettes Mädchen.
    Und außerdem passte sie genau zu Guinievaire, denn Vicky war das einzige Kind eines wohlhabenden Vaters, Alleinerbin, sie war dürr und schön auf eine andere Art als Guinievaire, sie feierte ebenso viel wie sie, aber dabei gab sie gerne vor, sie stünde über jenem vergänglichen Lebensstil ihrer engsten Freunde, was sie natürlich nicht tat. Sie war arrogant wie Guinievaire es war, dabei aber bedeutend unsicherer und misstrauisch bis auf die Knochen. Dass ausgerechnet sie die beste Freundin seiner Verlobten war, war zugleich auch ein unglücklicher Zufall, aber leider schien Tonys Angebetete kein glückliches Händchen mit der Auswahl ihrer liebsten Vertrauten zu haben, und immerhin gab es auch einige gute Seiten an Vicky – sie war vertrauensvoll, vernünftig, sehr klug und ruhig – was man von Guinievaires anderem, stetigem Begleiter ganz und gar nicht behaupten konnte. Tony mochte nicht an ihn denken. Er vergaß sogar sehr gerne, dass Guinievaire überhaupt Umgang mit ihm pflegte.
    „Guten Abend,“ sagte Vicky mit ihrer bedachten, langsamen Stimme. Sie nahm Platz hinter ihrer Freundin, die daraufhin Tonys Hand fallen ließ und sich umdrehte zu ihr, um die Arme auf ihrer Lehne abzulegen. Guinievaire verehrte ihre beste Freundin, während diese im Gegenzug heimlich neidisch war, sie liebten einander und sie stritten sich dennoch beinahe ständig. Tony hatte viel über ihre komplexe Beziehung nachgedacht, aber bisher hatte er sie noch nicht wirklich verstanden, wobei er jedoch nicht das Bedürfnis hatte, sich zu sehr einzumischen. Vielmehr hielt er lieber Abstand von Vicky und Guinievaires übrigen Freunden. Er wollte nicht wirklich zu ihnen gehören.
    Vicky schenkte ihrer Freundin ein halbherziges Lächeln mit ihren langen Lippen, dann nickte sie Tony zu, mit Verachtung in ihren dunklen Augen. Sie konnte ihn nicht ausstehen, das wusste er. Sie hatte ihre Gründe.
    „Hat Cici dir geschrieben?“ fragte sie dann Guinievaire, womit sie sich ab sofort wieder einmal in ihrer eigenen, kleinen und reichen Welt befanden, von der Tony nichts verstand. Für ganz London gab es dabei nichts Interessanteres als Guinievaire, Vicky, Cecilia Sharp und die Vielzahl an weiteren, reichen Erben, die ihre Clique komplettierten, aber Tony hatte sich niemals etwas aus Klatsch und Tratsch und brennenden Gerüchten gemacht. Tatsächlich wollte er nichts davon wissen. Er floh, wenn sich andere den Mund zerrissen.
    „Nein, das hat sie nicht,“ antwortete seine Verlobte bitter. „Aber Alex hat mir mitgeteilt, dass sie morgen kommen werden.“
    „Hast du mit ihm gesprochen?“ wollte Victoria sofort wissen.
    „Er hat mir einen Brief geschickt. Sie wollten sich wohl erst häuslich einrichten,“ gab Guinievaire zurück.
    Victoria nickte verständnisvoll. Tony war derweil kaum bekannt, wovon sie sprachen, denn Guinievaire hatte sich niemals die Mühe gemacht, ihm die Verhältnisse in ihrem Freundeskreis genauer zu erklären, selbst wenn er sie gefragt hatte, weil er bemerkt hatte, dass etwas sie zu belasten schien. Er wusste nur, dass sie sich mit ihrer anderen, ehemals besten Freundin Cecilia, oder Cici genannt, gestritten hatte. Diese hatte wiederum erst vor kurzem
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