Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen
Autoren: Melanie Barbera
Vom Netzwerk:
machte, ihn anständig zu bedecken – sie trug stets die teuersten Roben der Stadt und wurde viel bewundert dafür, selbst wenn Tony sie meist etwas zu gewagt fand. Heute trug sie Gold – natürlich tat sie das. Sommersprossen bedeckten ihre Arme und ihre Schultern, ihr Rücken hingegen war weiß wie Porzellan, um ihren Hals hingen schwere Edelsteine wie fast immer, denn sie verfügte über eine beeindruckende Sammlung von teuren Geschmeiden aus Diamanten und Rubinen, sie baumelten von ihren Ohren oder um ihre schmalen Handgelenke. Alles an Guinievaire war kostspielig. Wenn man sie ansah, dann hatte man nicht das Gefühl, sie anfassen zu können, was wiederum ein guter Grund war, warum man sie Eiskönigin rief. Auch ihr Gesicht war kühl, zugleich aber ihr größter Vorzug. Sie hatte bleiche Augenbrauen und Augen grün wie Moos und Tannennadeln, mit langen, schwarzen Wimpern und Lidern, die beinahe silbern glänzten. Ihre Nase war perfekt und gerade und ihre Lippen klein, aber voll und gerade genau so, wie ein jeder Maler sie in seinen Musen suchte. Mit ihren hohen Wangenknochen und ihrem Kiefer, ihrem schmalen Kinn und ihrer glatten Stirn hätte man sie auf jedem Tizian-Gemälde finden können. Und dann war da noch ihr Haar. Wenn sie ausging, dann musste sie es hochstecken und zurück binden, aber wenn Tony sie nur für sich hatte, dann durfte er es in seinem vollen, duftenden Ausmaß bewundern. Es reichte hinab bis zu ihrer Taille, war voll und weich und glänzte und dabei war es strahlend rot wie Herbstlaub, wie Backstein, wie die Mähne des schönsten Fuchses, den Tony jemals gezüchtet hatte. Seitdem er sie kannte, suchte er bereits nach einem passenden Vergleich für diesen, ihren Ton. Guinievaire war einzigartig schön in einem Ausmaß, dass niemand, der sie ansah, diese Tatsache verkennen konnte, selbst Tony nicht.
    „Guten Abend, Mister Ford,“ sagte sie lächelnd. „Was soll ich davon halten, dass sie sich still und heimlich in Privatlogen schleichen?“
    Tony nahm eilig neben ihr Platz, dann streckte sie die langen, dürren Finger aus, an denen zehn große, bunte Ringe saßen und er drückte sie glücklich. Natürlich durften sie sich in der Öffentlichkeit nicht verraten, aber Tony hatte eigentlich niemals das Gefühl, jemand verdächtige sie.
    „Wie geht es dir?“ fragte er umsichtig.
    Guinievaire seufzte und ließ sich gegen die Lehne fallen. „Fabelhaft,“ erwiderte sie, wobei Tony nicht ganz klar wurde, ob sie nun sarkastisch war oder nicht. „Aber das Stück soll hervorragend sein, habe ich gehört.“
    Sie pausierte und musterte ihn genau mit ihren grünen Augen. Wieder einmal sah sie beinahe ein wenig traurig aus, wie es Tony in letzter Zeit oft auffiel bei ihr, aber egal was er versuchte, sie sprach nicht darüber. Manchmal konnte sie frustrierend verschlossen sein, vor allem für ihn, der sich so sehr darum bemühte, ihre Gefühle zu kennen und ihre Sorgen zu teilen. Manchmal ließ sie das zu, aber selbst wenn sie sich ihm ein wenig öffnete, hatte Tony doch zugleich immer das Gefühl, dass sie genau kalkuliert hatte, was sie ihm erzählte und was nicht, nur um ihn für eine Weile zufrieden zu stellen. Guinievaire gab sich Mühe in dieser Beziehung und sie gab sich große Mühe, ihren Kummer zu verbergen, aber sie konnte Tony nicht täuschen. Er hatte sie verstanden, er kannte sie, er wusste, was in ihr vor sich ging. Sie litt unter dem Leben, das sie führen musste, selbst wenn sie es nicht zugeben mochte.
    „Wie geht es dir?“ erkundigte sie sich, vermutlich um abzulenken.
    „Ich weiß nicht,“ meinte Tony, nachdem er ernsthaft über diese Frage nachgedacht hatte. „Ich bin kein sonderlich großer Freund von Menschenansammlungen, das weißt du. Und vor allem diese Menschen hier sind mir ein Graus. Die meisten von ihnen sind ohnehin nur hier, um ihre Abendgarderobe auszuführen.“
    „Das ist ein sehr hübscher, neuer Anzug, den du da trägst, Tony,“ grinste Guinievaire zur Antwort.
    Abwehrend hob er sofort eine Hand. „Ich muss immerhin versuchen, gut auszusehen neben dir, damit ganz London endlich erkennt, wie hervorragend wir zusammen passen,“ rechtfertigte er sein glattes Auftreten.
    Sein hübsches Gegenüber machte ein ergriffenes Geräusch. Sie legte ihre freie, lange Hand auf ihr Schlüsselbein, als sie antwortete.
    „Du klingst beinahe arrogant,“ seufzte sie. „Ich bin stolz auf dich.“
    Guinievaire war arrogant, daran konnte kein Zweifel bestehen, und dies war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher