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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
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immer wieder. Er schien all die Dinge zu sagen, die wir selber hätten sagen sollen, nur daß es uns nie in den Sinn gekommen war.
    »Die Gedichte hier nehme ich alle«, sagte ich.
    »Okay«, sagte er. »Trink aus.«
    Trinken war Pflicht, wenn man bei Harris zu Besuch war. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen. Er trug immer dünne braune Hosen, die lose an ihm herumhingen, zwei Nummern zu groß; und alte Hemden, die regelmäßig zerrissen waren. Er war ungefähr einsachtzig groß und wog an die 100 Kilo; das meiste davon war Bierbauch. Er hatte hängende Schultern und sah einen aus zusammengekniffenen Augen an. Wir tranken gut zweieinhalb Stunden lang. Das Zimmer war blau von Zigarettenqualm.
    Plötzlich stand Harris auf und sagte: »Raus hier, du Wichser, du kotzt mich an!«
    »Na mal langsam, Harris …«
    »Ich sagte SOFORT, du Wichser!«
    Ich nahm die Gedichte und ging.
     
    Zwei Monate danach kam ich wieder, um Harris einige Belegexemplare von ›Mad Fly‹ zu bringen. Ich hatte seine zehn Gedichte alle gedruckt. Margie machte mir die Tür auf. Randall war nicht da.
    »Er ist in New Orleans«, sagte Margie. »Ich glaube, er kriegt einen Break. Jack Teller will sein nächstes Buch verlegen, aber er möchte Randall erst persönlich kennenlernen. Teller sagt, er kann keinen drucken, den er nicht mag. Er hat ihm den Flug bezahlt, hin und zurück.«
    »Randall versteht es nicht gerade, sich beliebt zu machen«, sagte ich.
    »Na mal sehn«, sagte Margie. »Teller ist ein Säufer und hat mal im Knast gesessen. Die beiden wären ein hübsches Paar.«
    Teller gab die Zeitschrift ›Rifraff‹ heraus und hatte seine eigene Druckmaschine. Er druckte sehr schöne Sachen. Auf dem Cover der letzten Nummer von ›Rifraff‹ war Harris mit seiner häßlichen Visage zu sehen, wie er an einer Bierflasche nuckelte, und im Innenteil war er mit einigen Gedichten groß herausgestellt.
    ›Rifraff‹ galt allgemein als die führende Literaturzeitschrift der damaligen Zeit. Harris fand Zusehens mehr Beachtung. Das hier sah nach einer guten Chance für ihn aus, falls er es mit seinem üblichen Mundwerk und seinen Säufermanieren nicht vermurkste. Vor dem Weggehen sagte mir Margie noch, sie kriege ein Kind – von Harris. Wie gesagt, sie war 45.
    »Was hat er denn gesagt, als du’s ihm erzählt hast?«
    »Es schien ihm egal zu sein.«
    Ich ging.
     
    Das Buch erschien in einer Auflage von 2000 Exemplaren, sehr schön gedruckt. Der Umschlag war aus Kork, importiert aus Irland. Die Seiten waren verschiedenfarbig, außergewöhnlich gutes Papier, der Text war in einer seltenen Schrifttype gesetzt, und das Ganze wurde aufgelockert durch einige Tuschezeichnungen von Harris. Das Buch kam sehr gut an, sowohl als Objekt als auch wegen seines Inhalts. Doch Teller konnte kein Honorar zahlen. Er und seine Frau kamen nur mit Mühe über die Runden. In zehn Jahren würde das Buch in den Katalogen der Antiquariate für $ 75 angeboten werden. Harris ging inzwischen weiter seiner Arbeit im Versandhandel für Autozubehör nach.
    Als ich vier oder fünf Monate später wieder vorbeikam, war Margie nicht mehr da.
    »Sie ist schon lange weg«, sagte Harris. »Da hast’n Bier.«
    »Was war denn?«
    »Na ja, als ich aus New Orleans zurück war, schrieb ich ein paar Short Stories. Während ich auf Arbeit war, hat sie in meinen Schubladen gekramt. Sie hat einige Stories gelesen und sich daran gestoßen.«
    »Worum ging’s denn da?«
    »Ach, sie hat eben was von einer Frau gelesen, mit der ich in New Orleans ins Bett gestiegen war.«
    »Waren das wahre Geschichten?« fragte ich.
    »Was macht dein ›Mad Fly‹?« fragte er.
     
    Das Kind kam zur Welt, ein Mädchen, Naomi Louise Harris. Mutter und Kind lebten in Santa Monica, und Harris fuhr einmal in der Woche raus und besuchte sie. Er zahlte Alimente und trank weiter sein Bier. Dann sah ich plötzlich, daß er in der Untergrundzeitung ›L. A. Lifeline‹ eine wöchentliche Kolumne hatte. Er nannte seine Kolumne ›Skizzen eines hochkarätigen Irren‹. Seine Prosa war wie seine Lyrik – undiszipliniert, antisozial und schlampig.
    Harris trug jetzt die Haare lang und ließ sich einen Ziegenbart stehen. Als ich ihn das nächste Mal sah, lebte er mit einem 35-jährigen Girl zusammen, einer hübschen Rothaarigen namens Susan. Susan arbeitete in einem Kunstgewerbeladen, sie malte und spielte ganz passabel Gitarre. Sie trank auch gelegentlich ein Bier mit Randall, und das war mehr als Margie je getan hatte.
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