Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
ihrem Abendessen vorbei. Irgendwo bellte ein Hund.
    Schließlich brach Orme das Schweigen. »Glauben Sie, dass sie auf diese grässliche Weise bei Dunkelheit aufgeschlitzt wurde? Ohne dass der Mörder sah, was er tat?«
    Monk blickte ihn an. »Dort, wo wir sie entdeckt haben, gab es keine Straßenlampen. Entweder hat er es tatsächlich im Dunkeln getan, oder es war noch ein Rest vom Tageslicht vorhanden. Nicht ganz ungefährlich, dort draußen auf dem Pier, mitten im Freien. Und was hatte die Frau dort eigentlich zu suchen? Das ist doch keine Stelle, wo eine Prostituierte sich mit einem Freier herumdrücken würde. Die Lampen eines Lastkahns könnten lange genug für Licht sorgen, in dem man beide bemerken würde.«
    »Warum überhaupt dort?«, fragte Orme. Er zog die Schultern hoch, als würde ihn seine Jacke nicht genügend wärmen.
    »Vielleicht wurden sie sogar gesehen«, überlegte Monk. »Wenn ein Mann mit einer Frau ringt, könnte man das für eine leidenschaftliche Umarmung halten. Leichterschiffer würden einfach nur über seinen Wagemut lachen, dass er es im Freien vor aller Augen treibt. Sie würden glauben, er würde sich vergnügen – nicht, sie umbringen.«
    »Hat aber wohl nicht viel Sinn, nach Schiffern Ausschau zu halten, die was gesehen haben könnten«, murmelte Orme betrübt. »Die sind längst irgendwo zwischen Henley und Gravesend.«
    »Viel helfen könnten sie uns ohnehin nicht.« Monk seufzte. »Keiner würde wissen, ob es diese Frau war oder irgendein anderes Paar.« Die bloße Vorstellung deprimierte ihn. Eine Frau konnte vor all den vorbeifahrenden Booten ermordet und ausgenommen werden wie ein Fisch, noch dazu an dem meistbefahrenen Fluss der Erde, und niemand bemerkte oder begriff, was da geschah.
    Er richtete sich auf und verzehrte den letzten Bissen seines Sandwiches. Obwohl es nichts daran auszusetzen gab, musste er ihn mühsam hinunterwürgen. Sein Mund war einfach zu trocken, und das Brot schmeckte wie Sägespäne.
    »Wir sollten zusehen, dass wir klären, wer sie war«, schlug er vor. »Nicht dass uns das notwendigerweise viel helfen wird. Wahrscheinlich war sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    »Es wird Leute geben, denen wir es sagen müssen«, meinte Orme. »Freunde, womöglich einen Ehemann.«
    Darauf erwiderte Monk nichts. Er kannte das. Denn das war ja das Schlimmste am Anfang jedes Mordfalls: es den Menschen beizubringen, die das Opfer geliebt hatten. Irgendwie war das ebenso grausam wie der Tod, wenn man denjenigen aufspürte, der die Tat begangen hatte, und die Menschen, denen er etwas bedeutete.
    Gemeinsam liefen sie die Narrow Street wieder hinunter bis zum Rand von Ropemaker’s Fields, den sie dann sehr langsam abschritten. Nördlich der Grünfläche gab es alle zehn Meter Seitengassen, von denen einige zur Triangle Place führten, hinter der das Armenhaus lag.
    Dort stellten sie ebenfalls ihre Fragen, wobei sie die Tote so genau wie möglich beschrieben, doch niemand im Armenhaus wurde vermisst. Abgesehen davon hatten die Hände des Opfers im Gegensatz zu denen der hier lebenden Frauen nicht so ausgesehen, als wären sie körperliche Arbeit gewohnt – weder waren sie rot von stundenlangem Schrubben in ätzender Seifenlauge oder dem Aufwischen von Holzböden gewesen, noch hatten sie Schwielen von Nadelstichen beim Nähen von Segeltuch aufgewiesen.
    War sie eine Prostituierte gewesen, die ihre besten Jahre hinter sich hatte, vielleicht verzweifelt ein paar Shillings brauchte und darum schnell bereit war, sich überall zu verkaufen, sogar an einem Pier bei Einbruch der Dunkelheit? Das Geld hätte immerhin für eine Mahlzeit oder ein paar Stück Kohle gereicht.
    Unwillkürlich stellte er sich die Situation vor: das Angebot, die jeweiligen Bedürfnisse, das kurze Ringen, das sie leicht mit sexueller Gier verwechseln konnte, das plumpe Begehren eines Mannes, der vielleicht wütend auf sich selbst war, weil er auf eine solche Form der Befriedigung angewiesen war, und wütend auf sie, weil sie die Macht hatte, es ihm zu geben, und Geld dafür verlangte. Dann der brutale Schlag und die alles verzehrende Dunkelheit.
    Doch warum hatte er sie danach verstümmelt? Hatte er sie gekannt, und steckte unbeherrschbarer persönlicher Hass dahinter? Oder handelte es sich um einen Wahnsinnigen, dem jedes beliebige Opfer genügt hätte? Und wenn es sich so verhielt, stellte dieser Mord dann erst den Anfang dar?
    Noch einmal nahmen sie sich die Narrow Street und die Gassen am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher