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Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Titel: Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
Autoren: Amy Bratley
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hineinging, völlig fassungslos und peinlich berührt, weil so viele Bilder von mir dort hingen. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er mich fotografiert hatte.
    »Ich hoffe, es macht dir nichts aus?«, war sein ganzer Kommentar gewesen, während er mich einen Augenblick lang besorgt anschaute und dann verlegen grinste. »Ich bin kein verrückter Stalker, du bist einfach nur so eine natürliche Schönheit. Das fand ich schon immer. Seit wir Kinder waren. Ich kann mein Glück einfach nicht fassen!«
    Es war wundervoll – aber auch peinlich –, so bewundert zu werden, nachdem ich glaubte, mir würde der Boden unter den Füßen weggerissen werden, als Ethan mich verlassen hatte. Joe vertrieb meine erdrückenden Selbstzweifel und tat alles, um mich glücklich zu machen. Ich wollte ihm dafür danken und führte ihn deshalb in meine Lieblingscafés und Restaurants. Er lernte meine faulen Samstage kennen, an denen wir zusammen über Märkte schlenderten, und ich ließ ihn an meinem geheimen Sonntagsbrunch in einem Pub in Clerkenwell teilhaben: eine Bloody Mary mit frisch geriebenem Meerrettich, Unmengen Tabasco und dazu Huevos Rancheros .
    Währenddessen versuchte ich, die Erinnerungen auszulöschen, die ich mit Ethan und diesen Orten verband. Da Joe und ich uns schon so lange kannten, fühlte ich mich bei ihm wohl und sicher. Doch das war es nicht allein. Denn so klingt es, als käme er einem Paar bequemer Hausschuhe gleich. Ich respektierte und schätzte ihn. Ich begann, ihn inniger zu lieben, wenngleich mich gelegentlich das Gefühl überkam, nach Luft schnappen zu müssen, was normalerweise dann geschah, wenn wir uns geliebt hatten und danach eng umschlungen im Bett lagen, sein Arm um meine Taille gelegt, wie ein Anker. In diesen Momenten schloss ich die Augen, zählte vor meinem inneren Auge die Kieselsteine irgendeines Strandes und wartete, dass das Gefühl vorüberging. Was es auch immer tat.
    Ethan schlich sich an fast allen Tagen in meine Gedanken, doch gab ich mir größte Mühe, sie nicht zu beachten. Ich glaubte, wenn ich so tun würde, als ob ich ihn nicht vermisste, würde ich ihn irgendwann auch nicht mehr vermissen. Das Prinzip der Verweigerung funktionierte halbwegs, dennoch überkam mich gelegentlich körperliches Verlangen nach ihm, zum Beispiel wenn ich mit der U-Bahn nach Shepherd’s Bush fuhr, wo Ethan gewohnt hatte, oder ein lautes, ansteckendes Lachen hörte oder jemand eine Zigarette vor einem Pub rauchte und so aussah, als würde er etwas wissen, was alle anderen nicht wussten. Obwohl ich mich manchmal danach sehnte, ihn wiederzusehen, sah ich ihn nie.
    Bis heute Abend.
    »Nun«, meinte Ethan und schloss die Tür hinter sich. »Das ist unangenehm.«
    Ich war erleichtert, dass er etwas sagte, denn mir hatte es die Sprache verschlagen. Ich sah ihn an: sein rabenschwarzes Haar, seine graublauen Augen, seine helle Haut und diese rosafarbenen Lippen, die leicht zuckten. Ich sah, wie er sich ein paarmal hintereinander mit der Hand durchs Haar fuhr – eine affektierte, nervöse Angewohnheit. Er räusperte sich mehrfach, und ich begriff, dass er genauso geschockt war, mich zu sehen. Er hatte mich nicht der alten Zeiten wegen ausfindig gemacht, wie es mir kurz durch den Kopf geschossen war, sondern hatte sich für den Saturday Supper Club beworben und war aufgrund der kurzfristigen Umbesetzung der Gruppe zu meiner Adresse geschickt worden, ohne zu wissen, wer ihn da an der Tür erwartete. Ich kämpfte gegen mein instinktives Gefühl an, ihn zu packen und meine Lippen auf seine zu pressen. Stattdessen schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter.
    »Ich bin … ich bin …«, begann ich. »Ich bin … so schockiert, dich zu sehen. Ich weiß nicht, was ich … Du hast dich also für den Saturday Supper Club beworben? Haben sie dir nicht meinen Namen genannt? Wusstest du nicht, dass ich dir die Tür öffnen würde? Verflucht noch mal, was tust du hier, Ethan?«
    Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und ahmte ihn nach, ohne dass es mir bewusst war. Ethan schüttelte den Kopf, hob die Hände und ließ sie wieder fallen.
    »Nein. Man gab mir lediglich eine Adresse«, verteidigte er sich mit Nachdruck. »Glaub mir, ich stehe genauso unter Schock wie du. In einer Stadt mit mehr als neun Millionen Einwohnern klopfe ich an deine Tür … Wahnsinn … das ist echt unglaublich. Du wusstest auch nicht, dass ich komme, oder?«
    Ich starrte Ethan zitternd – nein, sichtbar bebend – an und schüttelte den Kopf.
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