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Ein Mann fuer Mom

Titel: Ein Mann fuer Mom
Autoren: Jude Deveraux
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seine Lesefähigkeiten zu testen. Noch mit anderen Kindern beschäftigt, hatte die Lehrerin gesagt, er solle sich ein Buch aus dem Regal holen, um ihr dann daraus vorzulesen. Damit hatte sie eines der hübschen Bilderbücher gemeint. Sie wollte herausfinden, welche Kinder von ihren Eltern zum Lesen angeregt worden waren und welche nur vor dem Fernseher klebten.
    Wie alle Kinder wollte Eli ganz instinktiv die Lehrerin beeindrucken, und so war er auf einen Stuhl geklettert und hatte ein Buch mit dem Titel Lernbehinderungen heruntergeholt, sich neben die Lehrerin gestellt und ganz ruhig begonnen, daraus vorzulesen. Da Eli ein Einzelkind war und von seiner Mutter nie zu etwas gedrängt wurde, was er nicht tun wollte, hatte er sein Leben sehr abgeschieden verbracht. Er wußte nicht, daß es ungewöhnlich war, wenn ein Fünfjähriger aus einem pädadogischen Fachbuch vorlas. Er wollte nur den Lesetest bestehen und in die anspruchsvollere Lesegruppe kommen.
    »Das war sehr schön, Eli«, erklärte seine Mutter, nachdem er eine halbe Seite gelesen hatte. »Ich denke, Miss Wilson weiß jetzt, daß du schon ein wenig lesen kannst. Oder, Miss Wilson? «
    Trotz seiner fünf Jahre war Eli der geradezu entsetzte Gesichtsausdruck der Lehrerin nicht entgangen: Was fange ich nur mit dieser Monstrosität an?
    Nach seinem Eintritt in die Schule hatte Eli begriffen, was es bedeutet, »anders« zu sein. Er lernte Neid und Mißgunst kennen und was es heißt, ausgeschlossen und ausgegrenzt zu werden. Nur für seine Mutter war er »normal«. Seine Mutter hielt ihn nicht für ungewöhnlich oder seltsam. Für sie war er einfach ihr Sohn.
    Jetzt, viele Jahre später, nach seinem Treffen mit dem Mann von Princeton, war Eli noch immer aufgewühlt, und als er Chelsea sah, schenkte er ihr eines seiner seltenen Lächeln. Er hatte Chelsea Hamilton im Alter von sechs Jahren kennengelemt. Sie war natürlich nicht so klug wie er, aber immerhin so verständig, daß er sich mit ihr unterhalten konnte. Auf ihre Weise war Chelsea eine ähnliche Monstrosität wie Eli, denn Chelsea war reich - sehr, sehr reich - und wußte bereits mit sechs Jahren, daß es anderen im Umgang mit ihr mehr um diesen Umstand ging als darum, aus echter Zuneigung Freundschaft mit ihr zu schließen. Die beiden Kinder hatten einander nur angesehen, zwei totale Ausnahmen in dem langweiligen kleinen Klassenzimmer, und waren unzertrennliche Freunde geworden.
    »Nun? « wollte Chelsea wissen und hob den Kopf, um Eli ins Gesicht zu sehen. Sie war sechs Monate älter und bis vor kurzem stets größer als er. Aber mittlerweile war er dabei, sie zu überholen.
    »Was tust du denn hier in diesem Gebäude? « fragte Eli zurück. »Du hast hier doch gar nichts zu suchen. « Bewußt machte er es spannend, ließ sie auf seine Neuigkeiten warten.
    »Du scheinst zu vergessen, daß dieses Haus meinem Vater gehört. « Sie warf die langen dunklen Haare in den Nacken.
    »Und er ist mit dem Dekan in Princeton befreundet. Seit zwei Wochen weiß ich über dieses Treffen Bescheid. « Schon jetzt sah man, daß Chelsea einmal eine Schönheit werden würde. Ihre Probleme würden einmal genau das sein, wovon andere träumten: zu groß, zu schlank, zu klug, zu reich. Geographisch waren ihre Häuser nur zehn Minuten voneinander entfernt, aber Lichtjahre im Wert. Elis Zuhause hätte mit Leichtigkeit in Chelseas Marmor-Eingangshalle gepaßt.
    Als Eli schwieg, sah sie geradeaus. »Gestern abend hat Dad angerufen, und ich habe über seine Abwesenheit so gejammert, daß er uns ein neues CD-ROM kaufen will. Vielleicht werde ich es dir zeigen. «
    Wieder lächelte Eli. Chelsea war gar nicht bewußt, daß sie »uns« gesagt hatte. Sie war sehr erfolgreich im Erpressen ihrer Eltern, die ihre Zeit vor allem damit verbrachten, überall in der Weltgeschichte herumzufahren und die häuslichen Dinge Chelseas älteren Geschwistern zu überlassen. Ein paar kleine Tränen, und ihre Eltern schenkten ihr alles, was für Geld zu haben war.
    »Princeton will mich«, sagte Eli, als sie in den strahlenden Sonnenschein von Denver hinaustraten. Die Herbstluft war frisch und klar.
    »Ich wußte es! « rief sie begeistert. »Wann? Und wie? «
    »Ich kann im Frühjahrssemester probeweise beginnen. Wenn ich mich bewähre, kann ich im nächsten Herbst voll einsteigen. « Er sah sie kurz an, und in diesem flüchtigen Moment erkannte Chelsea, wie sehr er es sich wünschte. Eli verabscheute die Vorstellung zutiefst, auf die High School gehen
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