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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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   »Das war Rekord. Aber im Ernst, Lotte. Du fährst wie eine Geisteskranke. Dass du noch einen Führerschein hast, wundert mich wirklich.«
   »Nicht mich haben sie auf der Autobahn geblitzt, sondern dich, mein Lieber. Also halte die Klappe und bringe die Koffer rein.«

Im Mai ein warmer Regen bedeutet Früchtesegen

Unsere Vorräte beschränken sich auf kiloweise Senf in sechs Sorten und einige Gläser Marmelade. Martin hat während meiner Abwesenheit nicht einkauft und nur auswärts gegessen. Da es der erste Mai Feiertag ist und alle Geschäfte geschlossen haben, schlägt er vor, dass wir in die Alte Mühle fahren und lecker essen.
   »Lass uns ins lieber ins Steakhaus oder zum Chinesen fahren und danach legen wir uns gleich für ein Stündchen aufs Ohr.«
   »Freust du dich denn nicht, Anja nach all der Zeit wiederzusehen? Ihr habt euch doch bestimmt eine Menge zu erzählen.«
   »Anja und ich sprechen schon seit Monaten kein Wort mehr miteinander. Und so bleibt es auch.«
   »Das heißt, sie wusste wirklich nicht, wo du bist?«
   »In dem Fall hat sie die Wahrheit gesagt.«
   »Und in welchem Fall hat sie es nicht getan?«
   »Ich kann nicht darüber sprechen. Ich hab‘s versprochen.«
Martin lächelt und nimmt mich in den Arm. Er sagt, dass er es gut findet, dass ich verschwiegen bin, auch wenn er gleich vor Neugierde platzt.

Ich überfliege meine Bestellungen der Kleinaufträge und mache sie versandfertig. Es herrscht eine gespenstige Stille im Haus und ich komme mir vor wie in Einzelhaft. Martin hat bereits zweimal angerufen.
   »Nur zur Kontrolle. Wollte nur prüfen, ob du noch daheim bist oder dich schon wieder heimlich aus dem Staub gemacht hast«, lacht er und ich lache mit.
   »Was ist denn nun mit Liebermann?«, will er wissen.
   »Leg auf. Dann kann ich ihn anrufen.«

In geradezu überschwänglicher Art begrüßt mich der Chefeinkäufer und betont zum wiederholten Mal, wie sehr er sich freut, dass ich zurückrufe. Aha. Mittlerweile scheint er kapiert zu haben, dass er mit seinem überheblichen »Geduld, Frau Talbach, Geduld« einen kräftigen Bock geschossen hat. Jetzt hat er es eilig. Extrem eilig.
   »Die Grillsaison läuft und wir haben keine Ware mehr am Lager.«
   »Ganz richtig, Herr Liebermann. Die Grillsaison läuft und wir arbeiten bereits auf Hochtouren. Ich hatte Ihnen angedeutet, dass wir einen entsprechenden Vorlauf benötigen. So kurzfristig können wir Ihrem Wunsch nicht entsprechen.«
   »Sie bringen mich in eine heikle Lage, Frau Talbach.« Nee, mein Lieber, da hast du dich selbst hineingebracht und mich und alle meine Mitarbeiter gleich dazu.
   »An einem weiteren Jahresvertrag habe ich kein Interesse. Ich brauche in meinem Geschäft Planungssicherheit. Um Ihre Bestellung auszuführen, sind weitere Mitarbeiter notwendig und ich muss die Rohwaren zu aktuellen Tagespreisen einkaufen. Das bedeutet, selbst wenn wir für Sie fertigen würden, könnten wir es nicht zu den bisherigen Konditionen machen.«
Jetzt habe ich ihn da, wo ich ihn hin haben wollte. Ganz klein mit Hut fordert er mich auf, einen Vorschlag zu unterbreiten.
   »Ich melde mich bei Ihnen, Herr Liebermann.«

Zwei Stunden später versammeln sich meine Ex Mitarbeiter um den großen Arbeitstisch in der Küche. Bei Kaffee und Kuchen berichte ich von meinem geplanten Coup.
   »Sollte Liebermann sich auf meine Konditionen einlassen, dann geht es hier nächste Woche weiter. Wer von euch ist mit dabei ?«
Alle sind mit dabei. Franz und Adina sogar in Vollzeit. Also gut. Ich greife zum Telefon und nenne meine neuen Bedingungen.
   »Einen Dreijahresvertrag. Aufschlag im ersten Jahr plus 7 %, im zweiten Jahr 8,5 % und im dritten 10 %.« Liebermann stimmt zu und ich erhalte seinen unterschriebenen Auftrag wenige Minuten später per email. Überglücklich verabschieden sich meine Vormittagsfrauen. Während ich mit Adina und Franz noch einen neuen Arbeitsvertrag schließe, bestellt Sören Rohwaren, Gläser und Etiketten bei unseren Lieferanten.

»Du bist und bleibst eine Zockerin! Was hättest du gemacht, wenn er nicht auf deine unverschämten Forderungen eingegangen wäre«, will Martin abends von mir wissen.
   »Dann hätte ich meinem Namen alle Ehre gemacht und weiterhin Marmelade gekocht.«

Die Zeiten der Stille sind vorbei. In meiner Küche herrscht von sieben bis sieben reges Treiben. Dazu wird laute Musik gespielt. Der wahre Caruso
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