Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
verriegelte sie. Dann drückte er auf einen Knopf an der Wand, worauf über der Tür ein rotes Licht aufleuchtete. «Jetzt können wir losschießen», bemerkte er geheimnisvoll und schaltete die Klimaanlage ein. «Absolut schalldicht», fügte er hinzu. «Bitte, nehmen Sie Platz.»
    Die Anwesenden folgten der Aufforderung, und nach einer kurzen, verlegenen Stille ergriff Sir Harold das Wort. «Also, einer muß ja anfangen.» Er wandte sich an Lisaweta. «Gesetzt den Fall, Sie erhielten die Genehmigung, das Land zu verlassen, würden Sie dann nach London gehen, um dort in Frieden und Freiheit leben zu können?»
    Das junge Mädchen starrte ihn an, als traue sie ihren Ohren nicht, und fragte: «Ist das Ihr Ernst, wirklich Ihr Ernst?»
    «Ja», erwiderte Sir Herold. «Das ist mein Ernst.»
    Nun ließ das junge Mädchen den aufgestauten Gefühlen freien Lauf und rief: «O ja, ja, ja! Ja, bitte. Ich gäbe alles darum, alles!»
    Mrs. Harris saß plötzlich wieder kerzengerade da, wachsam wie ein Terrier, und in ihrem gewitzten Köpfchen arbeitete es heftig. Offenbar waren sie nicht umsonst hier in diesem schalldichten Gelaß der englischen Botschaft versammelt.
    «Noch eine Frage», sagte Sir Harold mit einem Seitenblick auf Agronsky. «Haben Sie irgendwelche Verwandte in Rußland? Wer ist Ihr Vater? Wo lebt er? »
    Liz sah den stellvertretenden Außenminister an. Sein Gesicht war ausdruckslos. Sie antwortete: «Er ist verschwunden, als ich... als ich drei Jahre alt war.»
    «Und Ihre Mutter?»
    «Sie ist vor zwei Jahren gestorben. Ich habe noch einen Onkel in Kiew, aber der hat sich nie um mich gekümmert. Vermutlich weiß er nicht einmal, ob ich überhaupt noch lebe.»
    «Also, Herr Kollege», sagte Sir Harold, «Sie haben die Antworten der jungen Dame vernommen. Nicht das geringste Problem. Ich schlage vor, daß Sie jetzt Ihr Angebot unterbreiten.»
    Agronsky wandte sich an Mrs. Harris und sagte: «Sir Harold und ich hatten vorhin Gelegenheit, uns unter vier Augen über Ihre Bitte, was das junge Mädchen betrifft, zu unterhalten. Die Sache berührt uns beide tief, und wir wären unter Umständen bereit, sie mit Ihnen gehen zu lassen.»
    Liz stürzte mit einem Freudenschrei auf Mrs. Harris zu, bedeckte ihr kleines, faltiges Gesicht mit Küssen und rief: «Das habe ich nur Ihnen zu verdanken, niemand anderem. Oh, ich habe es ja gleich gewußt — Sie sind ein wunderbarer Mensch! Wie soll ich Ihnen nur danken, was soll ich...»
    Mrs. Harris befreite sich sanft aus der Umschlingung und sagte: «Einen Augenblick, mein Kind! Erst mal wollen wir hören, welchen Haken die Sache hat.»
    Agronsky sagte: «Unter einer Bedingung.»
    Ada nickte und erwiderte: «Bedingungen gibt es immer. Raus damit.»
    Und nun geschah etwas, was kein normaler Mensch für möglich hielte. Zwei Welten begegneten sich — der in allen Sätteln gerechte, hochgebildete, weltkluge Diplomat und die einfache Frau aus dem Volke, die vermeintlich einfältige Witwe aus dem Arbeiterstand. Von den fünf hier versammelten Personen wußte nur eine nichts von der geheimen Transaktion und den damit verbundenen Problemen, und das war Liz. Agronsky sah Mrs. Harris prüfend an, sah sozusagen in sie hinein, und Mrs. Harris hielt seinem Blick stand. Dann sagte er zögernd: «Was wissen Sie eigentlich über diese Sache, von der Sie vorhin sprachen... was war es doch gleich... ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein... dieses Vogelfutter?»
    Keine Frage, die beiden verstanden sich, denn alles, was Mrs. Harris, seit sie so überstürzt hierher gebracht worden war, in der Botschaft gehört und gesehen hatte, fügte sich plötzlich nahtlos zusammen, und sie erwiderte: «Nichts.»
    «Gar nichts?»
    Mrs. Harris sagte: «Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen.»
    «Und Ihre Freundin?»
    Mrs. Harris sah Mrs. Butterfield liebevoll an. Violet hielt Liz an ihren stattlichen Busen gedrückt, wiegte sie hin und her und sprach beruhigend auf sie ein: «Aber, aber, Kindchen, wer wird denn so aufgeregt sein. Haben Sie denn nicht gehört, daß alles gut wird? Keine Sorge, Sie kommen mit uns nach London.»
    Mrs. Harris sagte: «Wegen ihr brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.»
    «Und was ist mit Ihnen?» fragte Agronsky, und tief im Innern verspürte er eine merkwürdige, beglückende Verbundenheit mit dieser zierlichen, ältlichen Frau, die ihm da gegenübersaß und die genau verstand, was hier vor sich ging und worauf er hinauswollte.
    Sie sagte: «Ich gebe Ihnen mein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher