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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind
Autoren: Cate Tiernan
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Sprüche nach, wobei ich die Regel des dreifachen Echos praktischerweise vergaß. Dann sagte Axelle: »F asst euch an den Händen.«
    An meiner einen Seite stand Ouida, auf der anderen Sophie, die sehr nett und schüchtern wirkte. Ihr französischer Akzent war stärker als der der meisten anderen. Neben ihr stand Richard, dann kamen André, Jules, Thais, Manon, Daedalus und schließlich, auf der anderen Seite von Ouida, Axelle.
    Daedalus begann einen Gesang und wir liefen langsam dalmonde. Ich verstand nicht, was er genau sagte, es klang wie Altfranzösisch, aber ich konnte nur ein paar Worte ausmachen: vent und pierre, cercle und plume. Wind und Stein, Kreis und Feder. Das ergab keinen Sinn. Die anderen fielen in den Gesang ein. Thais suchte meinen Blick und zuckte die Achseln. Meine Schwester sah neugierig und bedächtig aus, doch sie hielt mit dem Tempo mit und lief vorsichtig im Kreis.
    Wir fingen an, schneller zu gehen, während ihre Stimmen sich voneinander abhoben, um sich dann wie Bänder ineinander, untereinander und umeinander herumzuwinden. Das kannte ich bereits aus meinem normalen Zirkel und ich liebte diesen Teil, dieses Ineinanderverweben eines großen Ganzen. Fetzen von Magie wirbelten um uns herum wie feine Zuckerwattefäden. Ich wartete auf den vertrauten Magierausch, der mich erfüllen sollte, doch stattdessen fühlte ich mich nur stumpfsinnig, nicht ganz bei mir.
    Gegen meinen Willen schaute ich quer durch den Kreis und sah, dass André Thais beobachtete. Sie erwiderte seinen Blick nicht. Rasende Wut setzte sich in meiner Brust fest, und ich begriff, dass mein Ärger mir im Weg stand.
    Es war mir fast nicht möglich, ihn loszulassen. Ich wollte mit meinen Fingernägeln tiefe Furchen in Andrés Wangen kratzen– fast so sehr, wie ich ihn packen und leidenschaftlich küssen wollte, sodass er meine Schwester vergaß. Ich biss die Zähne zusammen, schloss die Augen, atmete ein paarmal tief ein und verbannte die beiden aus meinen Gedanken. Ich versuchte, alle Gefühle loszulassen und mich für die Magie zu öffnen.
    Wir beschleunigten den Schritt, ich hielt die Augen fest geschlossen. Ich konzentrierte mich darauf, im Hier und Jetzt zu sein, leer wie eine Leinwand, die darauf wartete, dass die Magie sie mit Farben bemalte. Ich hörte ein paar weitere Worte aus dem Singsang heraus: calice, eau, cendres. Kelch, Wasser, Asche. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Aber endlich funktionierte es: Ein vertrautes Gefühl von Aufregung und Vorfreude überkam mich, und ich spürte, wie die Magie meine Brust ausfüllte. Ich atmete sie ein wie Licht und gab mich der Entzückung hin, ganz und gar von Zauber umgeben zu sein. Es stellte alles Übrige in den Schatten und angesichts dieser Erhabenheit schien Andrés Betrug weit weg.
    Ich öffnete die Augen und betrachtete Thais, fragte mich, was sie wohl gerade dachte und fühlte. Ihre Augen waren wie vor Erstaunen weit geöffnet und ihr Gesicht wandelte seinen Ausdruck von wachsam zu freundlich. Ich lächelte ihr zu und sie lächelte atemlos zurück. Auch sie spürte das Hochgefühl der Magie, es war ihr erstes Mal. Ich war froh, dass wir zueinandergefunden hatten, trotz der gemischten Gefühle, die ich ihr gegenüber in Bezug auf unsere Zukunft hegte.
    Ich spürte den wunderbaren Rausch aus Macht und Leben, wie ich mich selbst mit den Kräften des Zirkels verband. Das erhebende Gefühl, als sich unsere Sinne vereinten. Wir bewegten uns schnell im Kreis, der so rund war wie die Erde und die Sonne, so ewig wie die Gezeiten der Ozeane. Der Gesang schwoll weiter an und ich stimmte mit ein: »E in Kelch voll Wind, ein Ring aus Asche, eine Feder aus Stein, ein Band aus Wasser.« Wieder und wieder sangen wir die Worte, und obwohl ich sie übersetzen konnte, ergaben sie immer noch keinen Sinn für mich. Ich betete zu unserer Déesse: Bitte, hilf meiner Schwester und mir, das zu werden, was wir zu sein bestimmt sind. Bitte beschütze uns.
    Dann, als hätten wir uns abgesprochen, hielten wir inne. Wir warfen die Hände in die Luft und ließen unsere Energie, unsere Kraft frei, denn dies war der einzige Weg, um sie wieder in unseren Körpern zu empfangen. Ich fühlte mich stärker in mir selbst verankert, als könne ich wundersame Zauber bewältigen. Ouida und ich umarmten uns lächelnd.
    Alle zehn waren wir rotwangig, keuchten und schwelgten in den Nachwirkungen der Magie. Thais umarmte Sophie. Ich hasste mich dafür, dass meine Augen nach André Ausschau hielten. Sein
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