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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom
Autoren: Felix Dahn
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müde und will sterben,
     und seine Seele ist verdunkelt, ich weiß nicht, durch welchen Schatten. – Was denkst du, Hildebad?«
    »Ich denke«, sprach dieser, sich hoch aufrichtend, »sowie der alte Löwe die müden Augen geschlossen, rüsten wir zwei Heere.
     Das eine führen Witichis und Teja vor Byzanz und brennen es nieder, mit dem andern steigen ich und mein Bruder über die Alpen
     und zerschlagen Paris, das Drachennest der Merowinger, zu einem Steinhaufen für alle Zukunft. Dann wird Ruhe sein, im Osten
     und im Norden.«
    »Wir haben keine Schiffe gegen Byzanz«, sprach Witichis.
    »Und die Franken sind sieben wider Einen gegen uns«, sagte Hildebrand. »Aber wacker meinst du’s, Hildebad. Sage, was rätst
     du, Witichis?«
    »Ich rate einen Bund, mit Schwüren beschwert, mit Geiseln gesichert, aller Nordstämme gegen die Griechen.«
    »Du glaubst an Treue, weil du selber treu. Mein Freund, nur die Goten können den Goten helfen. Man muß sie nur wieder daran
     erinnern, daß sie Goten sind. Hört mich an. Ihr alle seid jung und liebt allerlei Dinge und habt vielerlei Freuden. Der eine
     liebt ein Weib, der andre die Waffen, der dritte irgendeine Hoffnung oder auch irgendeinen Gram, der ihm ist wie eine Geliebte.
     Aber glaubt mir, es kommt eine Zeit – und die Not kann sie euch noch in jungen Tagen bringen   –, da all diese Freuden und selbst Schmerzen wertlos werden wie welke Kränze vom Gelag von gestern. Da werden denn viele weich
     und fromm und vergessen deß, was auf Erden, und trachten nach dem, was hinter dem Grabe ist. Ich kann’s nicht und ihr, mein’
     ich, und viele von uns können’s auch nicht. Die Erde lieb’ ich mit Berg und Wald und Weide und strudelndem Strom und das Leben
     darauf mit heißem Haß und langer Liebe, mit zähem Zorn und stummem Stolz.
    Von jenem Luftleben da droben in den Windwolken, wie’s die Christenpriester lehren, weiß ich nichts und will ich nichts wissen.
     Eins aber bleibt dem Mann, dem rechten, wenn alles andre dahin. Ein Gut, von dem er nimmer läßt. Seht mich an. Ich bin ein
     entlaubter Stamm, alles hab’ ich verloren, was mein Leben erfreute: mein Weib ist tot seit vielen Jahren, meine Söhne sind
     tot, meine Enkel sind tot: bis auf einen, der ist schlimmer als tot – der ist ein Welscher worden. Dahin und lang vermodert
     sind sie alle, mit denen ich ein kecker Knabe und ein markiger Mann gewesen, und schon steigt meine erste Liebe und mein letzter
     Stolz, mein großer König, müde in sein Grab. Nun seht, was hält mich noch im Leben? Was gibt mir Mut, Lust, Zwang zu leben?
     Was treibt mich Alten wie einen Jüngling in dieser Sturmnacht auf die Berge? Was lodert hier unter dem Eisbart heiß in lauter
     Liebe, in störrischem Stolz und in trotzigerTrauer? Was anders als der Drang, der unaustilgbar in unsrem Blute liegt, der tiefe Drang und Zug zu meinem Volk, die Liebe,
     die lodernde, die allgewaltige, zu dem Geschlechte, das da Goten heißt; und das die süße, heimliche, herrliche Sprache redet
     meiner Eltern, der Zug zu denen, die da sprechen, fühlen, leben wie ich. Sie bleibt, sie allein, diese Volksliebe, ein Opferfeuer,
     in dem Herzen, darinnen alle andre Glut erloschen, sie ist das teure, das mit Schmerzen geliebte Heiligtum, das Höchste in
     jeder Mannesbrust, die stärkste Macht in seiner Seele, treu bis zum Tod und unbezwingbar.«
    Der Alte hatte sich in Begeisterung geredet – sein Haar flog im Winde   –, er stand wie ein alter, hünenhafter Priester unter den jungen Männern, welche die Fäuste an ihren Waffen ballten.
    Endlich sprach Teja: »Du hast recht, diese Flamme lodert noch, wo alles sonst erloschen. Aber sie brennt in dir,– in uns ,–
     vielleicht noch in hundert andern unsrer Brüder. Kann das ein ganzes Volk erretten? Nein! Und kann diese Glut die Masse ergreifen,
     die Tausende, die Hunderttausende?«
    »Sie kann es, mein Sohn, sie kann es. Dank allen Göttern, daß sie’s kann. Höre mich an. Es sind jetzt fünfundvierzig Jahre,
     da waren wir Goten, viele Hunderttausende, mit Weibern und Kindern, in den Schluchten der Hämus-Berge eingeschlossen. Wir
     lagen in höchster Not. Des Königs Bruder war von den Griechen in treulosem Überfall geschlagen und getötet, und aller Mundvorrat,
     den er uns zuführen sollte, verloren: wir saßen in den Felsschluchten und litten so bittern Hunger, daß wir Gras und Leder
     kochten. Hinter uns die unersteiglichen Felsen, vor uns und zur Linken das Meer, rechts in
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