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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom
Autoren: Felix Dahn
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Eichenwurzel.
    Bedächtigen Schrittes folgte der dritte, ein mittelgroßer Mann von gemessen verständigem Ausdruck. Er trug den Stahlhelm,
     das Schwert und den braunen Kriegsmantel des gotischen Fußvolks. Sein schlichtes, hellbraunes Haar war über der Stirn gradlinig
     abgeschnitten: eine uralte germanische Haartracht, welche schon auf römischen Siegessäulen erscheint und sich bei dem deutschen
     Bauer bis heut erhalten hat. Aus den regelmäßigen Zügen des offnen Gesichts, aus dem grauen, sichern Auge sprach besonnene
     Männlichkeit und nüchterne Ruhe.
    Als auch er die Cella des Tempels erreicht und den Alten begrüßt hatte, rief der Fackelträger mit lebhafter Stimme: »Nun,
     Meister Hildebrand, ein schönes Abenteuer muß es sein, zu dem du uns in solch unwirtlicher Nacht in diese Wildnis von Natur
     und Kunst geladen hast! Sprich – was soll’s geben?«
    Statt der Antwort fragte der Alte, sich zu dem Letztgekommnen wendend: »Wo bleibt der vierte, den ich lud?« – »Er wollte allein
     gehen. Er wies uns alle ab. Du kennst ja seine Weise.«
    »Da kommt er!« rief der schöne Jüngling, nach einer andern Seite des Hügels deutend.
    Wirklich nahte dorther ein Mann von höchst eigenartiger Erscheinung. Das volle Licht der Fackel beleuchtete ein geisterhaft
     bleiches Antlitz, das fast blutleer schien; lange, glänzendschwarze Locken hingen von dem unbedeckten Haupt wie dunkle Schlangen
     wirr bis auf die Schultern. Hochgeschweifte,schwarze Brauen und lange Wimpern beschatteten die großen, melancholischen dunkeln Augen voll verhaltner Glut, eine Adlernase
     senkte sich sehr scharfgeschnitten gegen den feinen, glattgeschornen Mund, welchen ein Zug resignierten Grames umfurchte.
     Gestalt und Haltung waren so jugendlich: aber die Seele schien vor der Zeit vom Schmerz gereift. Er trug Ringpanzer und Beinschienen
     von schwarzem Stahl, und in seiner Rechten blitzte ein Schlachtbeil an langem, lanzengleichem Schaft. Nur mit dem Haupte nickend
     begrüßte er die andern und stellte sich hinter den Alten, der sie nun alle vier dicht an die Säule, welche die Fackel trug,
     treten hieß und mit gedämpfter Stimme begann:
    »Ich habe euch hierherbeschieden, weil ernste Worte müssen gesprochen werden, unbelauscht, und zu treuen Männern, die da helfen
     mögen. Ich sah umher im ganzen Volk, mondenlang – euch hab’ ich gewählt, ihr seid die Rechten. Wenn ihr mich angehört habt,
     so fühlt ihr von selbst, daß ihr schweigen müßt von dieser Nacht.«
    Der dritte, der mit dem Stahlhelm, sah den Alten mit ernsten Augen an: »Rede«, sagte er ruhig, »wir hören und schweigen. Wovon
     willst du zu uns sprechen?«
    »Von unsrem Volk, von diesem Reich der Goten, das hart am Abgrund steht.«
    »Am Abgrund?« rief lebhaft der blonde Jüngling. Sein riesiger Bruder lächelte und erhob aufhorchend das Haupt.
    »Ja, am Abgrund«, rief der Alte, »und ihr allein, ihr könnt es halten und retten.«
    »Verzeih dir der Himmel deine Worte!« – fiel der Blonde lebhaft ein – »haben wir nicht unsern König Theoderich, den seine
     Feinde selbst den Großen nennen, den herrlichsten Helden, den weisesten Fürsten der Welt? Haben wir nicht dies lachende Land
     Italia mit all seinen Schätzen? Was gleicht auf Erden dem Reich der Goten?«
    Der Alte fuhr fort: »Hört mich an. König Theoderich, mein teurer Herre und mein lieber Sohn, was der wert ist, wie groß er
     ist,– das weiß am besten Hildebrand, Hildungs Sohn. Ich hab’ ihn vor mehr als fünfzig Jahren auf diesen Armen seinemVater als ein zappelnd Knäblein gebracht und gesagt: ›Das ist starke Zucht   – Du wirst Freude dran haben.‹ Und wie er heranwuchs – ich habe ihm den ersten Bolz geschnitzt und ihm die erste Wunde gewaschen!
     Ich habe ihn begleitet nach der goldnen Stadt Byzanz und ihn dort gehütet, Leib und Seele. Und als er dieses schöne Land erkämpfte,
     bin ich vor ihm hergeschritten, Fuß für Fuß, und habe den Schild über ihn gehalten in dreißig Schlachten. Wohl hat er seither
     gelehrtere Räte und Freunde gefunden als seinen alten Waffenmeister, aber klügre schwerlich und treuere gewiß nicht. Wie stark
     sein Arm gewesen, wie scharf sein Auge, wie klar sein Kopf, wie schrecklich er war unterm Helm, wie freundlich beim Becher,
     wie überlegen selbst den Griechlein an Klugheit, das hatte ich hundertmal erfahren, lange ehe dich, du junger Nestfalk, die
     Sonne beschienen. Aber der alte Adler ist flügellahm geworden! Seine Kriegsjahre
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