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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom
Autoren: Felix Dahn
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Der Angeschuldigte blieb stumm und bebte, selbst Silverius verlor einen
     Augenblick die Haltung. Da richtete sich jener Mann, der ihm gegenüber an der Felswand lehnte, auf und trat einen Schritt
     herzu, seine Nähe schien den Priester zu erkräftigen, und er begann wieder:
    »Ihr Freunde, es ist geschehen, was ihr sagt, nicht, wie ihr’s sagt. Vor allem wisset: Albinus ist an allem am wenigsten schuldig.
     Was er getan, er tat’s auf meinen Rat.«
    »Auf deinen Rat?«
    »Das wagst du zu bekennen?«
    »Albinus war verklagt durch den Verrat eines Sklaven, der die Geheimschrift in den Briefen nach Byzanz entziffert hatte. Der
     ganze Argwohn des Tyrannen war geweckt: jeder Schein von Widerstand, von Zusammenhang mußte die Gefahr vermehren. Der Ungestüm
     von Boëthius und Symmachus, die ihn mutig verteidigten, war edel, aber töricht. Denn er zeigte den Barbaren die Gesinnung
     des ganzen Adels von Rom, zeigte, daß Albinus nicht allein stehe. Sie handelten gegen meinen Rat, leider haben sie es im Tode
     gebüßt. Aber ihr Eifer war auch überflüssig:denn den verräterischen Sklaven raffte plötzlich vor weitern Aussagen die Hand des Herrn hinweg, und es war gelungen, die
     Geheimbriefe des Albinus vor dessen Verhaftung zu vernichten. Aber glaubt ihr, Albinus würde auf der Folter, würde unter Todesdrohungen
     geschwiegen haben, geschwiegen, wenn ihn die Nennung der Mitverschwornen retten konnte? Das glaubt ihr nicht, das glaubte
     Albinus selbst nicht. Deshalb mußte vor allem Zeit gewonnen, die Folter abgewendet werden. Das gelang durch jenen Eid.
    Unterdessen freilich bluteten Boëthius und Symmachus: sie waren nicht zu retten: doch
ihres
Schweigens, auch unter der Folter, waren wir sicher. Albinus aber ward durch ein Wunder aus seinem Kerker befreit wie Sanct
     Paulus zu Philippi. Es hieß, er sei nach Athen entflohen, und der Tyrann begnügte sich, ihm die Rückkehr zu verbieten. Aber
     der dreieinige Gott hat ihm hier in seinem Tempel eine Zufluchtstätte bereitet, bis daß die Stunde der Freiheit naht. In der
     Einsamkeit seines heiligen Asyles nun hat der Herr das Herz des Mannes wunderbar gerührt, und ungeschreckt von der Todesgefahr,
     welche schon einmal seine Locke gestreift hat, tritt er wieder in unsern Kreis und bietet dem Dienste Gottes und des Vaterlands
     sein ganzes unermeßliches Vermögen. Vernehmt: er hat all sein Gut der Kirche Sanctae Mariae Majoris zu Bundeszwecken vermacht.
     Wollt ihr ihn und seine Millionen verschmähen?«
    Eine Pause des Staunens trat ein: endlich rief Licinius: »Priester, du bist klug wie – wie ein Priester. Aber mir gefällt
     solche Klugheit nicht.«
    »Silverius«, sprach der Jurist, »du magst die Millionen nehmen. Das steht dir an. Aber ich war der Freund des Boëthius: mir
     steht nicht an, mit jenem Feigen Gemeinschaft zu halten. Ich kann ihm nicht vergeben. Hinweg mit ihm!«
    »Hinweg mit ihm!« scholl es von allen Seiten. Scaevola hatte der Empfindung aller das Wort geliehen. Albinus erblaßte, selbst
     Silverius zuckte unter dieser allgemeinen Entrüstung. »Cethegus!« flüsterte er leise, Beistand heischend.
    Da trat der Mann in die Mitte, der bisher immer geschwiegen und nur mit kühler Überlegenheit die Sprechenden gemusterthatte. Er war groß und hager, aber kräftig, von breiter Brust und seine Muskeln von eitel Stahl. Ein Purpursaum an der Toga
     und zierliche Sandalen verrieten Reichtum, Rang und Geschmack, aber sonst verhüllte ein langer, brauner Soldatenmantel die
     ganze Unterkleidung der Gestalt. Sein Kopf war von denen, welche man, einmal gesehen, nie mehr vergißt. Das dichte, noch glänzendschwarze
     Haar war nach Römerart kurz und rund um die gewölbte, etwas zu große Stirn und die edel geformte Schläfe geschoren, tief unter
     den feingeschweiften Brauen waren die schmalen Augen geborgen, in deren unbestimmtem Dunkelgrau ein ganzes Meer versunkener
     Leidenschaften, aber noch bestimmter der Ausdruck kältester Selbstbeherrschung lag. Um die scharfgeschnittenen, bartlosen
     Lippen spielte ein Zug stolzer Verachtung gegen Gott und seine ganze Welt.
    Wie er vortrat und mit ruhiger Vornehmheit den Blick über die Erregten streifen ließ, wie seine nicht einschmeichelnde, aber
     beherrschende Redeweise anhob, empfand jeder in der Versammlung den Eindruck bewußter Überlegenheit, und wenige Menschen mochten
     diese Nähe ohne das Gefühl der Unterordnung tragen.
    »Was hadert ihr«, sagte er kalt, »über Dinge, die geschehen müssen?
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