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Ein Jahr in San Francisco

Ein Jahr in San Francisco

Titel: Ein Jahr in San Francisco
Autoren: Hanni Bayers
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ich nicht ablehnen. Endlich hatte ich die Chance, meine Traumstadt zu sehen, in die ich mich seit den „Tales of the City“ verliebt hatte und worauf ich ganze acht Jahre hatte warten müssen. Und es gab keinen besseren Zeitpunkt, Deutschland für einige Zeit den Rücken zu kehren: Das Leben in meiner Heimatstadt Düsseldorf erschien mir zu alltäglich und eintönig, mein Job ödete mich mittlerweile an und meine Jugendliebe und ich hatten uns nach Monaten des On-and-Off getrennt. Zeit für etwas Neues, und San Francisco kam mir gerade recht.
    Nun schweift mein Blick durch den großen Raum. In meinen ausgetretenen Sneakers stehe ich auf einem grauweiß gemusterten Flughafenteppich, über den wahrscheinlich schon Millionen von Einwanderern gelaufen sind. Rot leuchtende Zahlen von eins bis fünfundvierzig prangen auf den verglasten Einwanderungsschaltern. Davor: wartende Menschen, die gespannt die düster dreinblickenden Beamten auf der anderen Seite beäugen. Ein runzeliger, chinesisch aussehender Herr (politisch korrekt: Asian American ) sitzt in dem Schalter, vor dem ich warte. Fast droht er, in seiner dunkelblauen, weiten Uniform zu versinken. Auf der rechten Brusttasche ein Schild mit einem asiatischen Namen. Mit der Mimik eines Pokerspielers starrt er auf seinen Computerbildschirm und schaut nur kurz hoch, wenn ihm ein neuer Reisepass vor die Nase gehalten wird. Meine Aufmerksamkeit bleibt an einem großen Flachbildschirm hängen, auf dem ein Imagefilm zu Kalifornien läuft – mit glücklich lachenden Familien, die am Flughafen von San Francisco ankommen und von freundlich blickenden Beamten begrüßtwerden. Soll das hier sein? Willkommenseuphorie fühlt sich anders an.
    Plötzlich ruft der Herr: „Next one, please!“ Next one, das bin ich. „Passport, please. Your finger there.“ Er liebt den Befehlston; wenige Worte, klare Ansagen. Ich drücke die Finger meiner linken Hand auf die warme Glasscheibe des grün blinkenden Lesegeräts vor mir. „Other finger now.“ Also noch mal das Gleiche. „Where do you work? You have a Visa? Why are you in San Francisco?“ Fragen über Fragen und kaum Zeit, über eine Antwort nachzudenken. Ich lege ihm mein Visum vor. „Are you on your own?“, fragt er dann und blickt mich prüfend an. „Yes, Sir“, bestätige ich. Er nickt kaum merklich und drückt dann einen großen Stempel mit dem Einreisedatum in meinen Reisepass: Admitted SFR (zugelassen San Francisco) steht da jetzt in blauen Lettern. Während er mir meine Unterlagen über den Schalter zurückreicht, packt er dann doch noch ein kleines freches Grinsen aus. Dabei zeigt er sogar Zähne. Sein rechter Schneidezahn ist abgebrochen und gelb verfärbt. „Enjoy your stay.“ Darauf kannst du dich gefasst machen, denke ich mir siegessicher und nehme wenig später am Gepäckband meinen Koffer in Empfang.
    Vor dem Flughafengebäude springe ich in das nächste freie Taxi. Der Nachthimmel liegt bereits über der Stadt, ich will nur noch ins Bett. Es ist mittlerweile acht Uhr abends, beziehungsweise 8 pm Ortszeit (PST – Pacific Standard Time). Meine Familie in Deutschland ist mir nun neun Stunden voraus. Gleich wird sie schon wieder aufstehen. Ein Blick in den Rückspiegel des Taxis verrät mir, dass meine Spaghetti-Haare eine Bürste oder noch besser eine Dusche nötig hätten. Meine Wangen, sonst immer leicht gerötet, wirken blass. Der Taxifahrer fragt nach meinem Reiseziel. „952 Sutter Street, Downtown , bitte“, lese ich von meinem Adresszettel vor. „Sutter Street und was?“, fragt er zurück. „San Francisco“,ergänze ich. „Welche Kreuzung?“ Er gestikuliert wild umher und deutet dann mit übereinandergeschlagenen Armen eine Straßenkreuzung an. Offensichtlich möchte er irgendeine Querstraße wissen. Auf der Karte habe ich gesehen, dass die Straßen in San Francisco in einem schnurgeraden Schachbrettmuster verlaufen. Dabei kann sich ein und dieselbe Straße locker über mehrere Kilometer erstrecken. „Uh, das weiß ich leider nicht.“ – „Okay, kein Problem“, meine ich aus seinem Gemurmel interpretieren zu können. Ich lehne mich wieder im Sitz zurück und versuche, mich zu entspannen. Blau leuchtet das Armaturenbrett des Taxis, eine kleine Discokugel baumelt am Rückspiegel, beinahe verfalle ich in einen hypnotischen Zustand. Wenn da nur nicht dieser störende Geruch wäre: ein Gemisch aus altem Furz, Gewürzgurken und Duftbäumchen. Das mag auch daran liegen, dass der Honda Civic schon ein
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