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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein
Autoren: Gitta von Cetto
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dich gleich mit der
Tatsache, als lange schriftliche Erklärungen abzugeben. Und man kann dich ja
hier beim besten Willen nicht telefonisch erreichen.«
    »Nein, das kann man nicht.«
Anna schloß mit einem großen rostigen Schlüssel die grüngestrichene Lattentür
auf. »Das hier ist mein Reich. Nicht sehr komfortabel, aber für mich genügt
es«, sagte sie.
    Jean schlich mit einem
bedripsten Gesicht hinter Anna und Bettina ins Haus. Anna maß ihn mit einem
kurzen Blick über die Schulter. Die Nase war schön, das dunkle Haar glanzvoll,
die Augen bestrickend und die schwarzen, nach oben gebogenen Wimpern lang. Eine
männliche Schönheit!
    Bettina hatte sich auf dem
Drahtbett niedergelassen, die Hände zwischen den Knien baumelnd wie bei ihren
autogenen Trainings. Sie schöpfte Kraft.
    Und wo, bitte, soll ich meine
Kraft hernehmen, dachte Anna ärgerlich.
    »Du freust dich offenbar nicht
sehr, daß ich da bin«, sagte Bettina schmollend. »Wir haben uns doch eine
Ewigkeit nicht gesehen.«
    Annas Hände öffneten und
schlossen sich nervös. Warum durfte man einer Tochter, auch wenn sie selbst
schon Mutter war, in einer solchen Situation nicht einfach eine ‘runterhauen?
Es gab genug Erwachsene, und darunter sogar kultivierte Menschen, Kritiker,
Politiker, Schauspieler und natürlich Autofahrer, die einander prügelten.
    »Kann uns Herr... Herr...«
    »Moulin«, sagte der junge Mann
und bettete die Päckchen sanft auf das Drahtbett neben Bettina. Der Gorgonzolakäse
war in der Hitze weich geworden und stank beträchtlich. Herr Moulin verzog die
Nase.
    »Kann uns Herr Moulin
vielleicht einen Augenblick allein lassen?« schlug Anna vor.
    Jean Moulin verzog sich sofort.
Noch unter der Tür steckte er sich eine Zigarette an.
    »Ich finde es unglaublich, mich
auf diese Weise zu überfallen! Es ist nicht nur geschmacklos, es ist geradezu
bösartig! Aus heiterem Himmel! Wie wagst du es, mich in eine solche Situation
zu bringen?«
    Bettina wandte ihr schönes
Gesicht mit einem stillen Lächeln Anna zu. »Du bist wirklich drollig, Mama. Als
ob du nicht längst wüßtest, daß meine Ehe mit Bernhard nicht klappt.«
    »Nun mach aber mal einen Punkt.
Ich bin ahnungslos. Wie soll ich das wissen?«
    »Mütter riechen doch so etwas
sonst immer zehn Meilen gegen den Wind. Aber es war dir unbequem, dir
klarzumachen, daß es zwischen Bernhard und mir einfach nicht mehr ging.«
    »So? Und da bist du einfach mit
diesem... Wer ist das überhaupt?«
    »Er hat als Regieassistent bei
Ponti gearbeitet.«
    »Kurzum, du bist mit ihm
durchgebrannt.« Anna ließ sich neben Bettina auf das Bett fallen. Die Melone
hopste auf den Boden und kullerte unter den Tisch.
    Bettina ließ sich nicht stören.
Mit überlegenem Lächeln sagte sie: »Mama, du bist so himmlisch altmodisch.
Heutzutage brennt doch kein Mensch mehr durch! Heimlich mit Strickleitern und
vermummtem Gesicht.«
    Anna versuchte sich der Zeiten
zu erinnern, da Bettina noch auf ihrem Schoß saß und mit ihrem gläubigen
Kindergesicht dem Märchen vom Aschenbrödel und dem Prinzen gelauscht hatte. Der
unschuldsvolle Blick hatte sich kaum verändert. Liebe und Zorn stiegen in Anna
auf. Jean Moulin marschierte derweil Zigaretten rauchend vor dem Haus auf und
ab. Er blieb stehen und besah sich einen Olivenbaum. Er bog den Zweig herab und
befühlte die grünen kleinen Früchte.
    »Abgesehen von dem Schock, wie
gefällt dir Jean?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Ich glaube, ich könnte ihn
wahnsinnig lieben«, sagte Bettina verträumt.
    »Und was ist mit Bernhard? Und
mit Bibi? Wo ist sie überhaupt? Wie stellst du dir alles vor? Wer sorgt für
Bibi? Und wer für dich?«
    »Eine Frage nach der anderen,
Mama. Nicht soviel auf einmal«, sagte Bettina.
    Ihre Ruhe war aufreizend.
    »Ich will wissen, wo
Bernhardine ist«, sagte Anna scharf.
    »Augenblicklich bei meiner
Schwiegermutter. Aber dort möchte ich sie nicht lassen. Bis ich ein eigenes
Heim habe, möchte ich sie gern zu dir geben. Es ist dir doch recht?«
    »Nein. Ich kann sie nicht
brauchen«, erklärte Anna. Es ging hier hart auf hart. Jede großmütterliche
Nachsicht war unangebracht.
    »Ach, Mutsch!« Bettina nannte
sie wieder bei ihrem alten Kosenamen und legte den Arm um Annas Hals. »Mach dir
und mir doch nichts vor! Du schlägst Purzelbäume vor Vergnügen, wenn du Bibi
für eine Weile mal ganz für dich allein haben kannst.«
    »Ich werde sie nicht nehmen.
Und weißt du, warum? Weil ich Kinder nicht aufziehen kann, insbesondere
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