Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit
Autoren: Michail Lermontow
Vom Netzwerk:
bellend eine Menge Hunde entgegen, und die Frauen versteckten sich bei unserm Anblick, und diejenigen, welche wir zu Gesicht bekamen, waren nichts weniger als schön."
     
    "Ich hatte mir eine bessere Vorstellung von den Tscherkessinnen gemacht!" sagte Petschorin zu mir.
     
    "Nur Geduld," gab ich ihm zur Antwort und lachte. Und dazu hatte ich meine guten Gründe.
     
    "In der Wohnung des Fürsten war bereits eine große Menge Menschen versammelt. Sie wissen, wenn diese Asiaten eine Hochzeit feiern, so laden sie alle ein, die ihnen begegnen. Wir wurden mit allen Zeichen der Auszeichnung empfangen und in den Ehrensaal geführt. Da ich das Land kannte, so hatte ich mir jedoch wohl gemerkt, wohin man unsere Pferde gebracht, um sie, wenn etwas vorfallen sollte, sofort zur Hand zu haben."
     
    "Und wie sind denn dort die Hochzeitsgebräuche?" fragte ich den Hauptmann.
     
    "Die bieten nichts Auffallendes," versetzte er. "Zunächst liest ihnen der Geistliche, der Mulla, ein paar Stellen aus dem Koran vor; dann macht man den Neuvermählten und allen ihren Verwandten Geschenke; dann wird gegessen und Busa getrunken, worauf ein Nationaltanz, die Dschigitowka, getanzt wird, während ununterbrochen irgend ein schmutziger, in Lumpen gehüllter und auf einem erbärmlichen Klepper sitzender Bursch die ehrenwerthe Gesellschaft mit seinen Späßen amüsirt; und wenn die Dunkelheit eintritt, findet eine Art Ball statt, wozu ein armer alter Musikant auf einem Instrument – der Name desselben ist mir entfallen, es gleicht unserer Balalaika – die Musik macht. Die Mädchen und jungen Burschen stellen sich in zwei Reihen einander gegenüber und singen und schlagen in ihre Hände. Dann treten ein Mädchen und ein Bursch in die Mitte des Kreises und fangen an, nach einander Verse in schleppendem Tone herzusagen ... Alles, was ihnen gerade in den Sinn kommt; und diese Verse werden dann von dem ganzen Chor wiederholt."
     
    "Petschorin und ich saßen auf dem Ehrenplatze. Plötzlich kommt die jüngste Tochter unseres Wirthes, ein Mädchen von sechzehn Jahren, auf meinen Begleiter zu und singt ihm eine Art Compliment vor."
     
    "Können Sie sich nicht erinnern, was sie ihm eigentlich vorsang?"
     
    "Ja, so ungefähr: ›Schlank und schön sind unsere Tänzer mit ihren silberbesetzten Kaftans; aber der junge russische Offizier ist noch schöner, und seine Tressen sind von Gold. Er erhebt sich unter ihnen wie eine Pappel; aber in unseren Gärten ist er nicht geboren und aufgeblüht.‹"
     
    "Bei dieser Rede stand Petschorin auf, verbeugte sich vor der jungen Prinzessin, legte die Hand erst auf die Stirn, dann auf das Herz und bat mich, ihr seine Antwort in ihre Sprache zu übersetzen."
     
    "Nun," raunte ich meinem jungen Freunde zu, als das Mädchen sich wieder entfernt hatte, "wie finden Sie sie?"
     
    "Entzückend!" antwortete er; "entzückend! Wie heißt sie?"
     
    "Bela," versetzte ich.
     
    "Und in der That, sie war sehr schön: hoch, schlank, prachtvoll gebaut, Augen schwarz wie die der Gazelle, – ihr Blick drang einem bis ins Innerste der Seele.
     
    Petschorin war ganz träumerisch geworden; er verlor sie nicht mehr aus den Augen; und auch sie richtete häufig verstohlen den Blick auf ihn. Aber mein Begleiter war nicht der Einzige, der Bela schön fand: aus einem Winkel des Saales richteten sich unablässig zwei andere unbewegliche, flammende Augen auf die junge Fürstin. Es waren die eines jungen Mannes meiner Bekanntschaft, Kasbitsch mit Namen.
     
    Dieser Kasbitsch, müssen Sie wissen, stand zu uns in einem eigenthümlichen Verhältniß; er war weder unser Freund noch unser Feind. Sein Benehmen war mehr als einmal sehr verdächtig gewesen; allein er hatte sich nie bei einem Gefecht sehen lassen. Von Zeit zu Zeit brachte er uns Schafe in das Fort und überließ sie uns zu einem billigen Preise; nur ließ er nie mit sich handeln; was er forderte, mußte man ihm auch geben, – man hätte ihn eher umbringen als ihm etwas abhandeln können. Man sagte ihm nach, er schlösse sich gern den Zügen an, welche die Abreken über den Kuban unternahmen; und in der That, mit seiner kleinen trockenen Gestalt und seinen breiten Schultern hatte er ganz das Aussehen eines Räubers ... Und zu dem besaß er eine wahrhaft diabolische Geschicklichkeit! Sein Beschmet 5 war immer in Fetzen zerrissen, aber seine Waffen glänzten von Silber; und sein Pferd galt für das schönste und beste in der ganzen Kabardie, und in der That, es war nicht möglich,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher