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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit
Autoren: Michail Lermontow
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schweigend gingen wir von jetzt an neben einander her.
     
    Wir kamen auf dem Gipfel des Berges an. Er war mit Schnee bedeckt. Die Sonne war untergegangen, und die Nacht folgte dem Tage ohne allen Uebergang, wie das im Orient gewöhnlich der Fall ist; allein – Dank dem Wiederschein des Schnees vermochten wir unsern Weg noch leicht zu erkennen, der, wenn auch mit geringerer Steigung, noch immer bergan führte.
     
    Ich ließ meinen Koffer wieder auf den Wagen binden, vertauschte die Ochsen mit Pferden und warf einen letzten Blick in das Thal hinunter. Aber ein dichter Nebel, der wie Wellen aus den Schluchten in den Bergflanken aufstieg, hatte es vollständig bedeckt, und in dieser Höhe vermochte kein einziger Laut mehr an unser Ohr zu dringen. Die Osseten drängten sich lärmend um mich und forderten ein Trinkgeld. Aber der Stabscapitain redete sie so energisch an, daß sie im Nu auseinanderstoben.
     
    "Ist das ein Volk!" sagte er. "Ein Stück Brod auf Russisch zu verlangen ist ihnen vollständig unmöglich; aber sie können sehr verständlich sagen: ›Gib mir etwas zum Trinken, Offizier!‹ Da sind mir doch die Tataren lieber; die sind wenigstens keine Trunkenbolde ..."
     
    Wir hatten noch eine Werst bis zur Station. Rings um uns herrschte ein so tiefes Schweigen, daß man den Flug einer Fliege an ihrem Gesumme hätte verfolgen können.
     
    Zu unserer Linken gähnte ein tiefer Abgrund; jenseits desselben und vor uns erhoben sich dunkelblaue, von Schluchten zerrissene und mit Schneemassen bedeckte Bergzinnen, die sich von dem blassen Horizont abhoben, und auf welchem noch ein letzter purpurartiger Glanz schimmerte. An dem dunklen Himmel begannen die Sterne zu blinzeln und – seltsam! es schien mir, als ob sie sich in einer viel weiteren Entfernung befänden, als bei uns im Norden.
     
    Zu beiden Seiten des Weges ragten nackte, finstere Felsblöcke in die Höhe; da und dort drangen schwächliche Gesträuche durch die Schneedecke hervor; aber Alles war regungslos, nicht ein einziges Blättchen ward vom Winde bewegt, und so war es inmitten dieses Todtenschlafes der Natur ein Vergnügen, das Schnauben unserer müden Pferde und das ungleichmäßige Klingeln des russischen Glöckchens anzuhören.
     
    "Morgen werden wir ein herrliches Wetter haben," sagte ich zu dem Hauptmann.
     
    Ohne zu antworten zeigte dieser mit dem Finger nach einem hohen Berge, der sich gerade vor uns erhob.
     
    "Was ist das?" fragte ich.
     
    "Das ist die Gut-Gora."
     
    "Nun ...?"
     
    "Sehen Sie, wie sie raucht!"
     
    Und in der That, die Gut-Gora rauchte. An ihren Flanken wogten leichte Wolken hin und her, und auf ihrer Spitze lagerte eine so schwarze Dunstwolke, daß sie sich wie ein Fleck an dem dunklen Himmel ausnahm. 
     
     
     
    Schon vermochten wir die Poststation und die Dächer der sie umgebenden Hütten zu unterscheiden: schon schimmerte uns ein gastlicher Lichtschein entgegen, – da plötzlich erhob sich ein feuchter, eisiger Wind, in dem Abgrunde heulte der Sturm, und ein feiner Regen drang uns in die Kleider. Kaum hatte ich meine Burka 3 umgeworfen, als es in dichten Flocken zu schneien begann. Ich warf dem Stabscapitain einen respectvollen Blick zu ...
     
    "Wir müssen uns dazu verstehen, die Nacht hier zuzubringen," sagte er ärgerlich. "Bei einem solchen Schneegestöber kann man nicht daran denken, den Berg zu passiren." Und sich dann zu dem Postillon wendend, fuhr er fort: "Sind schon Lawinen gefallen?"
     
    "Nein, noch nicht, Herr," antwortete der Ossete; "aber es sind viele im Anzuge."
     
    Auf der Poststation war es nicht möglich, Zimmer für Reisende zu finden. Man führte uns in eine verräucherte Hütte, wo ich meinen Reisegefährten einlud, eine Tasse Thee mit mir zu trinken; denn ich nahm überall eine eiserne Theemaschine mit mir herum, – und mehr als einmal war sie mein einziger Trost gewesen auf meinen Kreuz- und Querzügen im Kaukasus.
     
    Die Hütte, in welcher wir die Nacht zubringen sollten, lehnte mit der einen Seite an einem Felsen. Drei glitschige, nasse Stufen führten zu ihrer Thür. Ich dringe zuerst tastend ein und falle über eine Kuh (in diesem Lande dient der Stall als Vorzimmer). Ich wußte nicht, wohin ich mich wenden sollte: von der einen Seite blöken Schafe, von der andern bellt ein Hund. Zum Glück gewahre ich endlich mit Hilfe eines schwachen Lichtscheines eine andere Oeffnung, die eine Art Thür zu sein scheint.
     
    Ich trat ein, und da bot sich mir ein ziemlich merkwürdiges
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