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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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ziemlich unerträglich. Das soll sich, als er den Hof verlassen hatte, geändert haben: Von da an wurde von ihm nicht anders als von einem Heiligen und Dulder gesprochen. Darüber bin ich genauestens unterrichtet.
    Über den Charakter meiner Mutter läßt sich nur sagen, daß sie bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr unter der Obhut von Tatjana Pawlowna in deren Nähe gelebt hatte (obwohl der Gutsverwalter ständig darauf drängte, sie nach Moskau in eine Lehre zu schicken) und die ihr einiges an Erziehung angedeihen ließ, das heißt, sie lehrte sie Nähen und Zuschneiden, die Manieren eines jungen Mädchens und sogar ein wenig Lesen. Ordentlich Schreiben hat meine Mutter niemals gelernt. In ihren Augen war diese Ehe mit Makar Dolgorukij eine längst beschlossene Sache, und alles, was mit ihr damals geschah, fand sie wunderbar und das Beste; vor den Traualtar trat sie mit der ruhigsten Miene, die man bei einer solchen Gelegenheit nur haben kann, so daß selbst Tatjana Pawlowna sie damals einen Fisch schalt. Dies alles über den damaligen Charakter meiner Mutter vernahm ich aus dem Munde von Tatjana Pawlowna persönlich. Werssilow besuchte das Gut genau ein halbes Jahr nach der Hochzeit.
    V
    Ich sage nur, daß es mir niemals gelang, definitiv zu erfahren oder auch zu erraten, womit es eigentlich zwischen ihm und meiner Mutter angefangen hat. Ich bin vollkommen bereit, ihm das zu glauben, was er mir im vergangenen Jahr persönlich gestanden hat, schamrot, obwohl er das alles im ungezwungensten und »geistreichsten« Plauderton erzählte, nämlich, daß es einen Roman überhaupt nicht gegeben habe und daß alles einfach so gekommen sei. Ich glaube ihm, daß es stimmte, und dieses kleine russische Wort »so« ist einfach reizend; dennoch hätte ich schon immer gern gewußt, wie das alles ausgerechnet zwischen ihnen geschehen konnte. Ich selbst habe alle diese Widerwärtigkeiten mein ganzes Leben lang gehaßt und hasse sie immer noch. Selbstverständlich handelt es sich in meinem Fall nicht nur um schamlose Neugier. Ich möchte bemerken, daß ich meine Mutter bis zum vergangenen Jahr kaum gekannt habe; von meiner frühesten Kindheit an bin ich unter fremden Menschen gewesen, um Werssilows Komfort willen, wovon übrigens später die Rede sein wird; deshalb kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie ihr Gesicht damals gewesen sein könnte. Wenn sie aber nicht besonders schön gewesen wäre, wie hätte damals ein solcher Mann wie der damalige Werssilow sich in sie verlieben können? Diese Frage ist für mich deshalb so bedeutend, weil dieser Mann sich darin von einer außerordentlich interessanten Seite zeigt. Deswegen frage ich, nicht aus Lüsternheit. Er selbst, dieser düstere und verschlossene Mensch, sagte mir mit jener reizenden Treuherzigkeit, die er weiß der Teufel woher nahm (wie aus der Rocktasche), sobald er merkte, daß es sich nicht vermeiden ließ – er sagte mir, daß er damals ein ziemlich »dummer junger Hund« gewesen sei, nicht einmal sentimental, nur so und unmittelbar vorher » Anton Goremyka « und » Polinka Sachs « gelesen habe, zwei literarische Werke, die einen immens zivilisierenden Einfluß auf die damals heranwachsende Generation ausgeübt haben. Er fügte jedesmal hinzu, daß es vielleicht an »Anton Goremyka« gelegen habe, daß er damals sein Landgut aufsuchte – und fügte dies sehr ernst hinzu. In welcher Form also hat dieser »dumme junge Hund« mit meiner Mutter beginnen können? Ich stelle mir heute vor, daß ein Leser, wenn ich auch nur einen einzigen haben sollte, bestimmt in lautes Lachen ausbrechen müßte, wie über den lächerlichsten grünen Jungen, der, immer noch im Besitz seiner törichten Unschuld, sich zu Überlegungen und Entscheidungen über Dinge versteigt, von denen er keine Ahnung hat. Ja, tatsächlich, ich habe keine Ahnung, obwohl ich das keineswegs aus Überheblichkeit zugebe, denn ich weiß, wie töricht ein solcher Mangel an Erfahrung bei einem zwanzigjährigen langen Lulatsch ist: Allerdings würde ich einem solchen Herrn entgegnen, daß er selbst keine Ahnung hat, und ich kann es ihm beweisen. Stimmt, von Frauen verstehe ich gar nichts, und ich will auch nichts von ihnen verstehen, weil ich mir geschworen habe, mir aus ihnen, solange ich lebe, nichts zu machen. Aber eines weiß ich gewiß, daß manche Frau durch ihre Schönheit, oder wodurch auch immer, in einem einzigen Augenblick einen Menschen berücken kann; an einer anderen dagegen muß man ein halbes
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