Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
große, frisch gebackene Apfelkuchen bereitgestellt hatte. »Ganz schöne Hitze. Hier drin noch mehr als draußen. Wie halten Sie das bloß aus?«
»Man gewöhnt sich dran.«
»Kann ich mir schwer vorstellen. Na ja, wie auch immer. Ich bin hier, weil mir der Geruch Ihres Kuchens in die Nase gestiegen ist. Und da ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich Süßem unmöglich widerstehen kann, wollte ich fragen, ob …«
Die Tür zum Vorratsraum flog auf und Agnes Sharp stampfte wie eine Fleisch gewordene Schlechtwetterfront in die Küche. Ihre kleinen blauen Augen funkelten angriffslustig, während sie ihren massigen Körper zwischen Daryl und das Mischlingsmädchen quetschte. Sie war in etwa gleich groß wie er, doch als sie tief Luft holte und ihr gewaltiger Busen bedrohlich anwuchs, zog er es sicherheitshalber vor, einen Schritt zurückzuweichen.
»Wer sind Sie, und was haben Sie in meiner Küche zu suchen?«, stieß die Köchin verärgert hervor.
Daryl setzte sein charmantestes Lächeln auf, nahm seine Baseballmütze ab und deutete eine Verbeugung an. »Mein Name ist Daryl Simmons, Ma’am. Ich bin der neue Pilot und ein Opfer des betörenden Duftes, der aus diesem Raum dringt und dem ich einfach folgen musste.«
»Simmons, aha. Und ein großer Schaumschläger sind Sie obendrein. Glauben, mit Ihren sanften, grünblauen Augen nur unschuldig blinzeln zu müssen, was? Schreiben Sie sich gleich mal Folgendes hinter die Ohren. Regel Nummer eins: Die Küche ist für euch Männer tabu. Regel Nummer zwei: Wer sich nicht daran hält, kriegt eins mit der Bratpfanne übergezogen. Regel Nummer drei: Ich mag keine Schleimer. Die verursachen bei mir Übelkeit. Und wenn mir übel ist, wirkt sich das auf das Essen aus. Und Sie wollen doch was auf den Teller, das schmeckt, oder?«
»Aber immer doch«, antwortete Daryl und grinste. Er hatte alle Mühe, sich zusammenzunehmen.
»Na, dann ist ja alles klar.«
»Nicht ganz. Krieg ich nun ein Stück Kuchen?«
Mrs. Sharp mochte äußerlich große Ähnlichkeit mit einem Nilpferd haben, doch was ihre Schnelligkeit anging, glich sie eher einer zubeißenden Todesotter. Daryl hatte Glück, dass er die Fliegengittertür nur aufzustoßen brauchte, um nach draußen zu gelangen, sonst hätte ihn das Nudelholz vermutlich am Kopf erwischt.
Das Mittagessen servierte Meena ihnen im Aufenthaltsraum der Farmarbeiter. Über den Vorfall in der Küche verloren weder die junge Halbaborigine noch Daryl ein Wort, doch er bemerkte, dass Meena ihn gelegentlich von der Seite musterte.
Ray wiederum warf immer wieder verstohlene Blicke zu dem Mädchen. Ihm war nicht entgangen, dass sie Daryl beobachtete, was ihn offensichtlich ärgerte. Der junge Stockman hatte nicht mal die Hälfte seiner Portion gegessen, als er den Stuhl zurückschob und aufstand. »Werd schon mal die Maschine auftanken und dem Boss Bescheid geben, dass wir einen Testflug machen.«
Ray Hill war ein großer, schlaksiger Typ, dessen gemütlicher, schaukelnder Gang stark an den eines Dromedars erinnerte. Als er nun auf die Tür zusteuerte, wirkte er allerdings eher wie ein wütender Stier.
»Es gibt noch Kuchen mit Schlagsahne zum Nachtisch«, rief ihm Meena nach, doch Ray reagierte nicht. Meena starrte einige Sekunden auf die ins Schloss fallende Tür, dann wandte sie sich an Daryl. »Was ist mit Ihnen?«
»Na, und ob. Und geben Sie mir auch gleich Rays Portion.«
Als sie mit den Kuchenstücken zurückkehrte, bat Daryl sie, sich ein paar Minuten zu ihm an den Tisch zu setzen.
»Ich habe noch nie im Leben einen so guten Apfelkuchen mit Zimt gegessen.«
»Das Rezept ist von meiner Mutter«, sagte Meena verlegen.
»War sie eine Weiße?«
»Ja.« Sie sah ihn forschend an. »Weshalb fragen Sie?«
»Hierzulande ist es eher ungewöhnlich, dass eine weiße Frau eine Beziehung mit einem Eingeborenen eingeht. Normalerweise ist es umgekehrt.«
»Das ist richtig.« Sie zögerte einen Augenblick. »Wahrscheinlich wäre es auch besser gewesen, wenn sie sich nie mit meinem Vater eingelassen hätte.«
»Wie können Sie so etwas sagen? Ohne Ihre Eltern wären Sie nicht auf der Welt, und ich würde hier sitzen und entweder mit der Wand reden oder Angst haben, dass mir Mrs. Sharp eins mit der Pfanne überbrät. Ganz zu schweigen von diesem einmaligen Kuchen, der mir dann entgangen wäre.«
Zum ersten Mal, seit er die junge Frau kennengelernt hatte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Es war ein bezauberndes Lächeln, und es war
Weitere Kostenlose Bücher