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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag
Autoren: Anna Gavalda
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wirklich gelebt, die gute Isaure, es ist nur so ... Tja, ich bin nicht sicher, ob sie jemals hier war. Dem Archiv nach stammt sie eher aus dem Nachbarkaff, aber da das Schloss dort abgebrannt ist, musste man ja eine Bleibe für sie finden, nicht?«
    »Von mir aus, aber die Geschichten über deine Vorfahren, dein merkwürdiger Aristokratenlook und diese ganzen Lügenmärchen, die du den Leuten vorhin aufgetischt hast?«
    »Ach, das? Na ja, versetzt euch mal in meine Lage!
     

    Ich bin Anfang Mai gekommen, um die Saison über dazubleiben. Die Alte hat behauptet, sie fahrt zur Kur und zahlt mir den ersten Monat nach ihrer Rückkehr. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Vom Erdboden verschwunden, die Gute. Jetzt haben wir August, und ich habe noch nichts gesehen. Weder die Schlossherrin noch eine Gehaltsabrechnung, noch eine Postanweisung, nichts. Von irgendwas muss ich ja leben! Darum habe ich mir den ganzen Spuk ausgedacht. Ich lebe ausschließlich von den Trinkgeldern, und die Trinkgelder fließen nicht von allein. Die Leute wollen was sehen für ihr Geld, und wie du siehst, ist das hier nicht gerade Disneyland. Also zaubert unsereiner Blazer und Siegelring hervor und bläst zum Angriff!« »Verrückt.«
    »Tja, meine Liebe, von nix kommt nix.« »Und der andere da?«
    »Das ist Nono. Den bezahlt die Gemeinde.«
    »Und äh - sind - sind bei ihm auch alle Schräubchen fest?«
    Vincent drehte sich eine Zigarette:
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er Nono heißt. Kommst du mit Nono klar, ist alles bestens, ansonsten wird es heftig.«

    »Aber was machst du denn den ganzen Tag?«
    »Morgens penne ich, nachmittags mache ich Führungen und die Nacht gehört der Musik.«
    »Hier?«
    »In der Kapelle. Die zeige ich euch gleich. Und ihr? Was habt ihr vor?«
    »Ach, wir - äh - nichts. Wir wollten dich zum Essen ausführen ...«
    »Wann? Heute abend?«
    »Na klar, Witzbold! Wir wollten nicht bis zum nächsten Kreuzzug warten!«
    »So ein Mist, heute abend geht es nicht. Heute heiratet Nonos Nichte, und ich bin eingeladen.«
    »He! Du kannst es uns ruhig sagen, wenn wir dir auf den Wecker fallen, was?!«
    »Überhaupt nicht! Total cool, dass ihr da seid. Das kriegen wir schon hin. Nono!«
    Der Angesprochene drehte sich langsam um.
    »Meinst du, es ist ein Problem, wenn mein Bruder und meine Schwestern heute abend mitkommen?«
     
    Er musterte uns lange, dann fragte er: »Ist das dein Bruder?« »Ja.«
    »Und die beiden? Deine Schwestern?«

    »Ja.«
    »Sind sie noch Jungfrau?«
    »He, Nono, darum geht's jetzt nicht! Im Ernst, Nono, meinst du, sie können heute abend mitkommen?«
    »Wer?«
    »Scheiße, Mann (der Typ bringt mich noch um), na, die drei halt!«
    »Wohin mitkommen?« »Zu Sandys Hochzeit!« »Klar. Was fragst du?«
    Er zeigte mit dem Kinn auf mich und fügte hinzu:
    »Kommt die auch?« Schluck.
    Er soll mich in Ruhe lassen, dieser grässliche Gollum ...
     
    Vincent war ganz geknickt.
    »Der raubt mir noch den letzten Nerv. Letztes Mal, weiß der Himmel, wie er es angestellt hat, ist ein kleiner Junge in der Rüstung steckengeblieben, und wir mussten die Feuerwehr holen. Hört auf zu lachen, ihr müsst ihn ja nicht Tag für Tag ertragen.«
    »Warum gehst du dann zur Hochzeit seiner Nichte?«

    »Ich muss. Da ist er ganz empfindlich. Na klar, lacht ihr nur, ihr Jungfräulein ... Sag mal, Simon, ich hab den Eindruck, die beiden sind immer noch so doof wie früher ... Außerdem schenkt mir seine Mutter dauernd leckere Sachen. Pasteten, Gemüse aus ihrem Garten, Würstchen. Ohne sie hätte ich nicht überlebt.«
    Ich glaub, ich spinne.
    »Aber vorher gibt es hier noch einiges zu tun. Ich muss die Kasse machen, die Klos putzen, dem anderen Verrückten helfen, die Alleen zu harken, und alle Türen schließen.«
    »Wie viele Türen gibt es?«
    »Vierundachtzig.«
    »Wir helfen dir.«
    »Cool, das ist nett. Also, hier ist noch ein zweiter Rechen, und für die Toiletten nehmen wir den Wasserschlauch ...«
    Wir krempelten die Ärmel unserer feinen Klamotten hoch und machten uns an die Arbeit.
     
    * * *
     
    »Ich glaube, das war's. Wollt ihr noch baden?« »Wo denn?«
    »Da unten ist ein Fluss ...«

    »Ist er sauber?«, fragte Lola. »Pinkeln da auch keine Füchse hinein?«, setzte ich nach.
    »Wie bitte?«
    Wir waren alles andere als Feuer und Flamme.
    »Badest du darin?«
    »Jeden Abend.«
    »Dann kommen wir mit.«
     
    Simon und Vincent liefen voraus. »Ich habe eine LP von MC5 für dich dabei.«
    »Ist nicht
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