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Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Autoren: Tony Attwood
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leider nicht für alle Psychologen der Fall ist). Viele autistische Menschen haben Schwierigkeiten im Berufsleben, da es ihnen sehr schwer fällt, den sozialen Anforderungen an der Arbeitsstelle gerecht zu werden; so erging es mir früher auch. Eine dauerhafte Beschäftigung erschien mir angesichts meiner persönlichen Probleme illusorisch und ich schlug mich viele Jahre lang durch, wechselte von einem Job zum nächsten oder lebte von Sozialleistungen. Mein Selbstwertgefühl war meist im Keller, zumal es mir nie gelingen wollte, auch nur den Ansatz eines Freundeskreises aufzubauen. Die Diagnose veränderte daran einiges. Ich traute mir zu, ein Fernstudium zum Übersetzer zu absolvieren – diese Art des Studiums kam den Besonderheiten meines Asperger-Syndroms sehr entgegen –, das ich schließlich auch erfolgreich abschließen konnte.
    Zugleich hatte ich aber auch den Wunsch, andere Menschen mit Asperger-Syndrom kennenzulernen. Das erwies sich als gar nicht so einfach. Im Jahre 2000, als ich meine Diagnose erhalten hatte, steckte die Asperger-Selbsthilfe in Deutschland noch in den Kinderschuhen. So suchte ich kurzerhand über das Internet selbst eine Hand voll erwachsener Menschen mit Asperger-Syndrom zusammen und rief eine Selbsthilfegruppe in Berlin ins Leben. Seither sind auch in Deutschland zahlreiche Selbsthilfetreffs entstanden, einige auf Initiative der Eltern, viele aber auch durch autistische Menschen selbst. Im Serviceteil finden Sie hilfreiche Adressen, z. B. des Vereins »Aspies e.V.«, der von Menschen mit Asperger-Syndrom gegründet wurde und für den ich mich sehr engagiere.
    Der englischsprachige Raum ist, was die Hilfe und Selbsthilfe für Menschen mit dem Asperger-Syndrom angeht, immer ein Vorreiter gewesen. Hierzulande gibt es noch nicht im selben Maß Integrations-, Förder- und Therapieangebote. Und auch das deutschsprachige Literaturangebot ist nicht so umfangreich wie das englischsprachige. Daher finden Sie an entsprechenden Stellen im Buch Anmerkungen in [eckigen Klammern] zur Situation in Deutschland bzw. deutschsprachige Buchempfehlungen. Auch den Serviceteil habe ich entsprechend an die hiesigen Verhältnisse angepasst.
    Wenn an einigen Stellen von »normalen« bzw. »betroffenen« Menschen die Rede ist, ist das keinesfalls wertend gemeint, sondern dient lediglich der Abkürzung der umständlichen Umschreibung: Menschen ohne Asperger-Syndrom bzw. Menschen mit Asperger-Syndrom.
    Das Leben eines Menschen mit Asperger-Syndrom, wie es auch das vorliegende Buch beschreibt, ist mitunter facettenreich, hat aber wenig mit manchen spektakulären Klischees zu tun, die über autistische Menschen noch immer im Umlauf sind. Weder sind wir alle kleine Einsteins, noch leiden wir ständig an unserer Isolation. Wir sind Menschen, die oft auch Spaß am Leben haben, die den Ehrgeiz haben, ihr Leben eigenständig und erfolgreich zu gestalten; manche sind berufstätig und stolz, ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten zu können, manche leben auch in einer funktionierenden Partnerschaft. Auch wir leben also eine gewisse Normalität, zugleich aber gibt es viele Dinge, die jeden von uns einzigartig machen, und das sind nicht nur die manchmal etwas exzentrisch wirkenden Spezialinteressen und Tics.
    Tony Attwood gelingt es, uns Menschen mit Asperger-Syndrom so darzustellen, dass wir als liebenswerte Individuen erscheinen, denen Respekt und Anerkennung gebührt. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank aussprechen.
    Berlin, Januar 2008
Rainer Döhle



1 Was ist das Asperger-Syndrom?
    Es war ein Wiener Kinderarzt, der sich 1944 als Erster dem Studium des Asperger-Syndroms widmete, weil ihn die besonderen Fähigkeiten und Eigenarten dieser Kinder so faszinierten. Daher erhielt das Syndrom später auch seinen Namen. In diesem Kapitel wollen wir uns den Charakteristiken langsam annähern, indem wir uns die zahlreichen möglichen Wege, die letztendlich zur richtigen Diagnose führen, anschauen.

Wie zeigt sich die Andersartigkeit?
    »Nicht alles, was aus der Reihe fällt, was also «abnorm» ist, muss deshalb auch schon «minderwertig» sein. «
    Hans Asperger
    Es klingelte an der Tür als Zeichen dafür, dass ein weiterer Gast zu Alicias Geburtstagsparty eingetroffen war. Ihre Mutter öffnete die Tür und sah hinunter auf Jack, der als letzter Gast kam. Es war der neunte Geburtstag ihrer Tochter und auf der Einladungsliste standen zehn Mädchen und ein Junge. Alicias Mutter war überrascht,
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