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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss
Autoren: Joe R. Lansdale
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Arbeit helfen müsse, außerdem stehe ihm eine Tracht Prügel bevor, weil er schon spät dran sei und weggegangen sei, ohne um Erlaubnis zu fragen.
    »Warum hast du nicht gefragt?«
    »Weil Daddy Nein gesagt hätte.«
    »Warum bist du dann hergekommen?«
    »Weil ich wollte.«
    »Und die Prügel?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    Richard war Schläge gewohnt, daher machte ihm die Vorstellung keine übermäßige Angst. Er erklärte mir, dass er sich immer vorstellte, er wäre Tarzan und würde gerade von Eingeborenen gefoltert, so könne er alles aushalten.
    Richard spielte oft Tarzan.
    Wenn Richard von Hausarbeit sprach, dann meinte er richtige Männerarbeit auf Mr Chapmans heruntergekommener Farm. Ich räumte meine Kleider weg und solche Kleinigkeiten, aber Richard musste die Hühner füttern, den Schweinen die Küchenabfälle bringen, Heu im Kuhstall verteilen, Getreide säen und ernten. Er besserte Zäune aus und spitzte Zaunpfähle zu, und einmal hat er noch vor dem Frühstück einen zwei Meter langen, dreieinhalb Meter tiefen Graben für das Plumpsklo ausgehoben.
    Sein Vater nahm ihn ebenso hart ran wie die Leute, die er für die Arbeit auf den Feldern anheuerte. Für gewöhnlich war dies ein niemals abreißender Strom von jeweils ein oder zwei Farbigen, manchmal Mexikanern, die, egal ob sie aus Texas stammten oder über die Grenze gekommen waren, von ihm als »Schlammscheißer« bezeichnet wurden.
    Diese Wanderarbeiter – keiner, der in Dewmont lebte, war so dumm, für Chapman zu arbeiten –, blieben nicht lange auf der Farm und waren bald wieder verschwunden, entweder wegen Faulheit gefeuert oder weil sie es an Gottesfürchtigkeit vermissen ließen.
    Mr Chapman war der Meinung, er sei von Gott berufen, und hatte in seiner Scheune eine Art Kapelle eingerichtet. Richard erzählte, er und die Arbeiter müssten ganze Abschnitte aus der Bibel auswendig lernen und sich Predigten von Chapman anhören. Er vermutete, dass das der Grund war, warum sich viele Arbeiter heimlich aus dem Staub machten – oder weil sie es einfach satthatten, für so wenig Geld so hart zu schuften.
    Ein derartiges Leben war mir fremd. Mein Vater war manchmal wütend auf mich, und ab und an bekam ich den Hintern versohlt, aber nie so schlimm wie die Prügel, die Richard bezog, und auch nicht regelmäßig oder so sehr, dass ich ständig Angst davor gehabt hätte. Tatsächlich hatte ich seit meinem elften Lebensjahr keine Tracht Prügel mehr bekommen.
    Ehrlich gesagt, machte ich mir an jenem Tag keine Gedanken um Richards Hausarbeit oder die Schläge, die ihm bevorstanden. Ich war vielmehr enttäuscht, dass ein ganzer Sommertag, ein Samstag, ohne einen Spielkameraden vor mir lag.
    Nachdem Richard gegangen und die Sendung vorbei war, verließ ich das Zimmer, dessen Raumtemperatur von unserem wassergekühlten Fensterventilator auf einigermaßen erträglichem Niveau gehalten wurde, und trat hinaus in die grelle Sonne.
    Ich und Nub spielten ein wenig am Waldrand hinterm Garten, abseits des Grundstücks, aber nicht weit vom Zaun des Autokinos entfernt. Der Zaun war ungefähr zweieinhalb Meter hoch und aus Wellblech, verstärkt mit zwei kräftigen Querbalken. Er sollte verhindern, dass sich jemand unerlaubt ins Kino stahl.
    Auf der Außenseite hatte das Blech ursprünglich hübsch bemalt werden sollen. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, vier lange Abschnitte mit farbenfrohen Bildern von einer fliegenden Untertasse und kleinen grünen Männchen zu verzieren, bis dieser Jemand die Nase voll gehabt und die übrige Zaunfläche daneben und nach hinten raus in demselben Grün gestrichen hatte, das den Tautropfen schmückte und den Außerirdischen ihren Teint verlieh.
    Ich spielte ein Spiel, das ich »Nub jagt« nannte. Es war ein einfaches Spiel. Ich rannte los, und Nub versuchte mich zu schnappen, was ihm natürlich jedes Mal gelang. Wenn er mich einholte, hieb er seine Zähne in meine Bluejeans, und ich versuchte weiterzulaufen, während er an meinem Hosenbein hing und knurrte wie ein Grizzlybär. Ich schleifte ihn meistens noch eine Weile hinter mir her, befreite mich dann von ihm und rannte wieder los.
    Pflichtgetreu raste er mir nach, und wir wiederholten das Ganze, liefen immer wieder die Strecke von hundert Metern zwischen Zaun und Waldrand hin und her. Damit hatten wir einen Großteil des Sommers verbracht. Außerdem waren wir im Wald umhergestreift und hatten Steine in einen Weiher geworfen, von dem ich mich eigentlich fernhalten sollte. Der
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