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Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"

Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"

Titel: Ein dunkles Grab: Die Kurzgeschichte zum Roman "Renegade. Tiefenrausch"
Autoren: J. A. Souders
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ich mich auf die Füße und suche nach Zündmaterial. Als Conn fragend zu mir hoch sieht, sage ich nur: »Feuerholz.« Er nickt und steht wortlos auf. Das ist das Beste an Conn – er muss nichts sagen, nur um sich selbst reden zu hören.
    Ein paar Minuten lang sammeln wir jedes Fitzelchen ein, das wir für brennbar halten, und werfen alles auf einen Haufen. Ganz hinten in der Höhle finde ich schließlich einen Stapel Zweige. Im ersten Moment starre ich sie nur sprachlos an. Sie sind genauso aufgehäuft wie unser Sammelsurium in der Mitte der Höhle, doch das hier ist richtiges Holz, nicht irgendwelche Zufallsfunde.
    Dann bemerke ich das goldene Ding, das neben dem Stapel liegt, und hebe es auf. Es ist ein Kompass. Ein Kompass, den ich kenne. Doch ich habe ihn seit Monaten nicht mehr gesehen. Seit sein Besitzer verschwunden ist.
    Sam. Früher war er der Jagdgefährte meines Vaters, nach Dads Tod dann mein Mentor. Während des letzten Winters ging er ganz allein auf die Jagd. Wir haben ihn niemals wiedergesehen. Natürlich haben wir einen Suchtrupp in die Outlands ausgesandt, aber niemand hat ihn gefunden. Doch das hier ist ein eindeutiger Beweis. Nur ein einziger Mensch im Dorf, und wahrscheinlich sogar in der gesamten verbliebenen Welt, besitzt einen solchen Kompass. Oberflächlich betrachtet sieht er aus wie eine normale Taschenuhr – golden mit schwarzen Verzierungen. Aber wenn man den Deckel öffnet, erscheint statt eines Ziffernblatts ein Kompass. Das Richtungsfeld ist schwarz, aber die Zahlen sind grünlich und leuchten im Dunkeln, doch die Kompassnadel funktioniert nun nicht mehr – sie steht still. Auf der Innenseite des Deckels befindet sich ein Bild von Sams Frau. Sie war schon lange tot, als ich ihn kennenlernte.
    Hastig fange ich an weiterzusuchen. Vielleicht gibt es in diesem Teil der Höhle ja noch einen Hinweis, der uns zu Sam führen kann. Falls er noch lebt, müssen wir ihn finden.
    Es dauert nicht lange. In der Nähe des Kompasses liegt, halb im Dreck versunken, ein altes Fernglas; eine Linse ist gesprungen. Ich glaube allerdings nicht, dass es Sam gehört: Es sieht so aus, als hätte das Ding nicht erst ein paar Monate hier gelegen, sondern wesentlich länger, vielleicht war es sogar so alt wie Sam selbst. Wenige Meter entfernt finde ich eine Taschenuhr. Auch sie scheint schon eine Weile auf dem Höhlenboden herumzuliegen. Nicht ganz so lange wie das Fernglas, aber sicher länger als der Kompass. Die Zeiger sind stehen geblieben, aber nachdem ich das Uhrwerk aufgezogen habe, bewegt sich der Sekundenzeiger gleichmäßig über das Ziffernblatt.
    Conn tritt neben mich, und ich zeige ihm meine Fundstücke. Als er den Kompass sieht, runzelt er die Stirn und neigt nachdenklich den Kopf. »Gehört der nicht Sam?«
    Ich nicke und umschließe den Kompass mit der Faust. »Er muss hier irgendwo sein. Wir müssen ihn suchen. Selbst wenn wir nur noch«, ich schlucke schwer, »seine Leiche finden. Das bin ich ihm schuldig.«
    Conn nickt knapp und hilft mir dann dabei, den Rest der Höhle zu durchsuchen. Aber wir finden keine Hinweise mehr. Es ist einfach zu dunkel, und unsere Taschenlampen sind nicht stark genug. Doch schließlich entdecken wir etwas, das erklären könnte, warum Sam nie zurückgekehrt ist.
    Am äußersten Ende der Höhle erfasse ich mit der Taschenlampe eine Art Öffnung. Während ich sie mir genauer ansehe, winke ich Conn herbei. Der Spalt ist gar nicht mal so schmal, zwar nicht groß genug für einen Bären, aber wir dürften problemlos durchpassen. Beide Taschenlampen zusammen geben genug Licht, um zu erkennen, dass hinter der Öffnung ein Tunnel liegt. Angesichts der undurchdringlichen Schwärze jenseits des Lichtstrahls und der Kälte, die uns entgegenschlägt, sogar ein ziemlich langer Tunnel. Seine Wände sehen genauso aus wie die der Höhle: ausgewaschener, goldgelber Sandstein. Während der Regenzeit steht hier vielleicht sogar Wasser drin, aber die ist Gott sei Dank noch Monate entfernt.
    Aufgeregt drehe ich mich zu Conn um. »Ich bin mir sicher, dass Sam durch diesen Tunnel gegangen ist. Vielleicht sogar der Freund deines Vaters – vielleicht schrie er, weil er von der Klippe gefallen ist. Wir müssen sie suchen.«
    Conn scheint nicht überzeugt zu sein. »Du bist verletzt, und je schneller wir zurück ans Festland gelangen, umso besser. Außerdem sollten wir erst jemandem sagen, was wir hier gefunden haben. Wenn dann etwas passiert, wissen sie, wo sie uns suchen
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