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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang
Autoren: Phil Rickman
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Karte eine Linie von einer Stätte zur anderen ziehen, und wenn man selbst hinkommt, sieht man eigentlich nichts. Aber das hier …»
    «Wie aus dem Lehrbuch», sagte Lol.
    «Ich meine, es ist nicht mein Verdienst … außer vielleicht, dass ich es wiederentdeckt habe. Diese Seite des Hügels war jahrelang praktisch vollkommen vergessen, vermutlich seit der Obstanbau so zurückgegangen ist. Ach, und willst du wissen, wie diese Weide heißt?
Coleman’s Meadow!
Klar? Die Weide, auf der dieser Weg angelegt wurde, ist nach dem
Cole
-Mann benannt, dem Schamanen, dem Zauberer! Man spürt es richtig, oder?» Jane stampfte mit dem Fuß auf. «Los, sag’s schon, Lol. Du bist ein Künstler, ein Dichter. Erzähl mir nicht, dass du es nicht spürst!»
    «Na ja …»
    «Man steht auf dem Weg, und man fühlt sich total mit der Landschaft verbunden. Und mit den
Vorfahren
, die hier lebten und die heiligen Wege abgesteckt haben. Vor Tausenden von Jahren, als die Menschen noch mehr Verbindung zu den Elementarkräften hatten. Also, ob du es glaubst oder nicht, die Leys haben eine mystische Lebenskraft durch das Land geleitet, oder sie waren Geisterpfade, wo man mit den Toten spazieren gehen konnte, oder … Es ist ja auch ganz egal. Ich brauche dafür keine wissenschaftliche Erklärung. Ich muss nur wissen, dass ich hier stehen und spüren kann, wie sehr ich Teil von etwas … Größerem bin. Wie ich
dazugehöre

    «Mehr können sich die meisten von uns vermutlich nicht erhoffen», sagte Lol. «Als irgendwo dazuzugehören.»
    Sie blieben ein paar Sekunden schweigend dort stehen. Man hörte weder Geräusche aus dem Dorf noch den Verkehr von der Landstraße, nur die Vögel zwitscherten, und die Herefords-Rinder rupften das Gras ab.
    Die Sonne hatte inzwischen beinahe ihren höchsten Stand erreicht. Umfangen von dem flirrenden Mittagslicht, wirkte Jane in ihrem abgeschnittenen gelben Top sehr jung und unsicher.
    «Ich brauche noch ein paar Informationen von dir, Lol.»
    «Für dieses … Projekt?»
    «So könnte man es auch sagen. Ich muss wissen, wer hier in der Gegend was zu entscheiden hat. Beim Gemeinderat und so weiter. Ich meine, grundsätzlich weiß ich das ja, aber ich will sicher sein, bevor ich den ersten Zug mache.»
    «Den ersten Zug?»
    Oh verflixt.
    Jane starrte auf ihre Füße.
    «Jane …»
    «Was?»
    «Dass du schulfrei hast, um an diesem Projekt zu arbeiten …»
    «Hör mal», sagte Jane, «das Schuljahr ist fast zu Ende, die Prüfungen sind vorbei, also kümmert es keinen. Und das hier ist echt wichtig. Und es steht auch mit dem Projekt im Kunstunterricht
in Zusammenhang
, dabei geht es nämlich darum, wie Künstler die Mysterien der Erde aufgegriffen haben, die verborgenen Harmonien der Landschaft.»
    «Du drückst dich nicht besonders klar aus, Jane.»
    «Also gut.» Jane streckte den Arm aus. «Wenn du genau wissen willst, worum es geht, dann lies, was dort steht.»
    An dem Gatter auf der anderen Seite der Weide war ein kleines Schild befestigt worden. Lol trottete hinüber. Hinter dem Gatter wurde der Pfad breiter, und er sah, dass er in dem Obstgarten hinter seinem eigenen Cottage stand, dessen Vorderseite auf die Church Street hinausging. Als er sich umdrehte, war Janes Ley nicht mehr zu sehen.
    Lol rückte seine Brille zurecht und las, was auf dem Schild stand, das mit BEZIRKSRAT HEREFORDSHIRE , DEZERNAT FÜR BAUENTWICKLUNG überschrieben war.
    Es teilte mit, dass ein Antrag eingegangen war, Coleman’s Meadow in Baugrundstücke für vierundzwanzig hochwertige Eigenheime für anspruchsvolle Kunden aufzuteilen.
    Oh.
    Lol drehte sich um. Jane war ihm gefolgt.
    «Nur über meine Leiche», sagte sie.

6 Der Sonnenuntergangssessel
    Joyce Airds Zufahrt führte von der Straße aus steil abwärts in einen Tunnel aus Bäumen. Es war, als würde man in einen Dachsbau fahren, bis man plötzlich wieder in blendendem Licht stand.
    «Ach je», sagte Mrs. Aird. «Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, oder? Ja, bringen Sie den Korbsessel mit, dann können wir am Fenster sitzen. Und bringen Sie auch Ihren Tee mit.»
    Das Sonnenzimmer bot einen Ausblick über das gesamte Tal von Colwall und Herefordshire bis hin zu den Black Mountains und nach Wales.
    «Woher haben Sie das gewusst?»
    Mrs. Airds Stimme mit dem Akzent aus den West-Midlands klang eine Spur ängstlich. Sie war Mitte siebzig, hatte weiche Gesichtszüge und leicht blondiertes Haar.
    «Oh …» Merrily stellte den Korbsessel mit dem dicken
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