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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held
Autoren: Mario Vargas Llosa
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schon dick, mit gütigen Äugelchen und dem Ansatz eines Doppelkinns, das er immer wieder liebevoll knetete. Das Khakihemd seiner Uniform trug er aufgeknöpft und mit Schweißflecken unter den Achseln. Auf dem kleinen Tisch stand ein Ventilator, der funktionierte immerhin. Felícito spürte dankbar, wie ihm ein Stoß kühler Luft übers Gesicht fuhr.
    »Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Yanaqué?«
    »Diesen Brief hier habe ich heute bekommen. Er hing an meiner Haustür.«
    Sergeant Lituma setzte sich eine Brille auf, die ihm das Aussehen eines Winkeladvokaten verlieh, und las den Brief in aller Ruhe durch.
    »Tja, was soll man da sagen«, meinte er schließlich und zogein Gesicht, das Felícito nicht recht zu deuten vermochte. »Das sind die Folgen des Fortschritts, Don Felícito.«
    Als er die Verwirrung des Unternehmers sah, erläuterte er, mit dem Brief wedelnd:
    »Als Piura noch eine arme Stadt war, gab es so etwas nicht. Wer wäre schon auf die Idee gekommen, von einem Geschäftsmann Schutzgeld zu verlangen. Jetzt, wo es Geld gibt, fahren die Leute ihre Krallen aus und wollen ihren Schnitt machen. Schuld sind die Ecuadorianer, mein Herr. Da sie der Regierung misstrauen, ziehen sie ihr Kapital ab und investieren es hier. Und dann greifen sie den Bürgern von Piura in die Tasche und stopfen sich die eigene voll.«
    »Das ist mir nicht gerade ein Trost, Sergeant. Außerdem, wenn man Sie so hört, da klingt es fast, als wäre es ein Unglück, dass es Piura jetzt so gutgeht.«
    »Das«, sprach der Sergeant bedächtig, »habe ich nicht gesagt. Nur dass in diesem Leben alles seinen Preis hat. Auch der Fortschritt.«
    Wieder wedelte er mit dem Brief, und Felícito Yanaqué kam es vor, als machte sich dieses dunkle, rundliche Gesicht über ihn lustig. In den Augen des Sergeanten schimmerte es, ein gelblich grünes Leuchten, wie bei einem Leguan. Irgendwo hinten im Revier brüllte eine Stimme: »Solche Ärsche wie in Piura gibt es nirgendwo sonst in Peru. Ich unterschreibe, Scheiße!« Der Sergeant lächelte und tippte sich an die Schläfe. Felícito wurde klaustrophobisch zumute. Es gab fast keinen Platz für sie beide zwischen diesen rußigen Holzwänden, übersät mit Meldungen, Bekanntmachungen, Fotos und Zeitungsausschnitten. Es roch nach Schweiß und alten Männern.
    »Schreiben kann er jedenfalls«, sagte der Sergeant und überflog noch einmal den Brief. »Zumindest kann ich keine Grammatikfehler entdecken.«
    Felícito spürte, wie sein Blut in Wallung geriet.
    »Ich bin nicht gut in Grammatik, und ich glaube nicht, dass es darauf ankommt«, murmelte er und musste sich zurückhalten. »Was meinen Sie, was jetzt passiert?«
    »Erst einmal nichts«, erwiderte der Sergeant in aller Ruhe. »Ich nehme Ihre Angaben auf, für alle Fälle. Kann sein, dass es bei diesem Brief bleibt. Vielleicht hat jemand ein Hühnchen mit Ihnen zu rupfen und will Sie auf die Palme bringen. Genauso könnte es sein, dass die Sache ernst ist. Da steht, man wird sich wegen der Zahlung mit Ihnen in Verbindung setzen. Wenn das passiert, kommen Sie her und wir sehen weiter.«
    »Sie scheinen der Sache keine Bedeutung beizumessen«, protestierte Felícito.
    »Fürs Erste hat sie keine«, sagte der Sergeant und zuckte die Achseln. »Das ist bloß ein zerknittertes Stück Papier, Herr Yanaqué. Es könnte ein dummer Streich sein. Aber wenn die Sache ernst wird, wird die Polizei handeln, das verspreche ich Ihnen. Dann also an die Arbeit.«
    Eine ganze Weile musste Felícito die Angaben zu seiner Person und seiner Firma herbeten. Sergeant Lituma notierte sie in ein grün eingebundenes Heft, mit einem Bleistiftstummel, den er immer wieder mit der Zunge befeuchtete. Felícito beantwortete die Fragen mit schwindendem Selbstvertrauen, so unnütz erschienen sie ihm. Herzukommen und die Anzeige aufzugeben war reine Zeitverschwendung. Nichts würde dieser Sergeant unternehmen. Außerdem, hieß es nicht, dass die Polizei die korrupteste aller Institutionen war? Vielleicht stammte der Brief mit der kleinen Spinne ja aus dieser stinkenden Höhle hier. Als Lituma ihm sagte, das Schreiben müsse als Beweismittel im Revier bleiben, sprang Felícito auf.
    »Ich würde gerne zuerst eine Kopie machen.«
    »Wir haben kein Kopiergerät hier«, erklärte der Sergeant und deutete auf die franziskanische Kargheit der Stube. »Draußen auf der Straße gibt es viele Geschäfte, wo man Kopien machen kann. Kommen Sie danach wieder zu mir, Herr Yanaqué. Ich warte so
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