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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held
Autoren: Mario Vargas Llosa
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wusste nicht, was verdammt noch mal er sagen sollte. Schließlich gab er sich einen Ruck:
    »Diese Eheschließung, die muss sein, ja? Ich meine, zu riskieren, was auf dich zukommt. Ich denke nicht nur an den Skandal, Ismael. Du weißt, worauf ich hinauswill. Der ganze Ärger mit deinen Söhnen, lohnt sich das? Eine eheliche Verbindung hat rechtliche und finanzielle Konsequenzen. Na ja, ich nehme an, du hast das alles bedacht und meine Überlegungen sind nur dummes Zeug. Ist doch so, oder, Ismael?«
    Er sah, wie sein Chef das halbe Glas Weißwein austrank, in einem Zug. Und dann die Achseln zuckte.
    »Sie werden versuchen, mich für unzurechnungsfähig zu erklären«, sagte er und machte ein sarkastisches Gesicht. »Man wird jede Menge Richter und Rechtsverdreher schmieren müssen, sicher. Aber ich habe mehr Geld als sie, den Streit werden sie nicht gewinnen. Wenn sie denn eine Klage anstrengen.«
    Er sprach, ohne Rigoberto anzuschauen, ohne die Stimme zu heben, damit niemand an den Nachbartischen ihn hörte, den Blick zum Meer gewandt. Aber wahrscheinlich sah er auch die Surfer nicht, nicht die Möwen, nicht die Wellen, die mit schäumender Gischt auf den Strand zuschossen, nicht die doppelte Reihe Autos, die an der Costa Verde entlangfuhren. Aus seiner Stimme klang immer deutlicher die Wut.
    »Lohnt sich das alles, Ismael? Anwälte, Notare, Richter, Vorladungen, die Journaille, die bis zum Erbrechen in deinem Privatleben herumstochert. Dazu das Heidengeld, das dich eine solche Laune kostet. Die Kopfschmerzen, der Ärger. Lohnt sich das?«
    Statt Rigoberto zu antworten, überraschte Ismael ihn mit einer weiteren Frage:
    »Erinnerst du dich, als ich einen Herzinfarkt hatte, im September?«
    Natürlich erinnerte er sich. Alle glaubten, Ismael würde sterben. Es hatte ihn im Auto erwischt, auf dem Rückweg von einem Mittagessen in Ancón nach Lima. Narciso brachte ihn bewusstlos in die Privatklinik San Felipe. Er musste mehrere Tage auf der Intensivstation bleiben, unter Sauerstoff, so schwach, dass er nicht sprechen konnte.
    »Wir dachten schon, du überstehst es nicht. Einen schönen Schrecken hast du uns eingejagt. Aber was hat das damit zu tun?«
    »Damals habe ich beschlossen, Armida zu heiraten.« Ismaels Gesicht war gereizt, seine Stimme verbittert. Er sah jetzt noch älter aus. »Der Tod hatte mich schon auf der Schippe. Ich habe ihn ganz nah gesehen, ihn berührt, gerochen. Ich war so schwach, dass ich nicht sprechen konnte, so war’s. Aber hören konnte ich. Das wissen die beiden Kanaillen bloß nicht. Dir kann ich es erzählen, Rigoberto. Nur dir. Kein Wort davon sollüber deine Lippen kommen, nicht einmal gegenüber Lucrecia. Schwör es mir, bitte.«
    »Dieser Doktor Gamio war so deutlich, wie er deutlicher nicht hätte sein können«, sprach Miki voll Begeisterung, ohne die Stimme zu senken. »Noch heute Nacht gibt er den Löffel ab, Bruderherz. Ein Herzinfarkt von einem Kaliber, das haut den Stärksten um, hat er gesagt. Kaum Chancen, dass er wieder auf die Beine kommt.«
    »Sprich leiser«, mahnte Schlaks. Er selbst sprach sehr ruhig, in diesem Schummerlicht, das die Silhouetten verwischte, in diesem merkwürdigen Raum, der nach Formalin roch. »Dein Wort in Gottes Ohr, Junge. Hast du in der Kanzlei von Doktor Arnillas etwas über das Testament herauskriegen können? Denn wenn er uns eins auswischen will, dann tut er das. Dem alten Sack macht keiner was vor.«
    »Arnillas ist zugeknöpft, kein Wunder, der ist gekauft«, sagte Miki und sprach jetzt auch leiser. »Heute Nachmittag war ich bei ihm und habe es versucht, aber unmöglich. Jedenfalls habe ich mich erkundigt. Auch wenn er uns verscheißern will, könnte er es nicht. Was er uns ausgezahlt hat bei unserem Rausschmiss, zählt nicht, es gibt weder Unterlagen darüber noch andere Beweise. Das Gesetz ist glasklar. Als Erben steht uns ein Pflichtteil zu. So heißt das: Pflichtteil. Er könnte nicht, Schlaks.«
    »Verlass dich lieber nicht darauf, Junge. Der kennt sämtliche Tricks. Um uns fertigzumachen, ist ihm jedes Mittel recht.«
    »Hoffen wir, dass es heute zu Ende geht«, sagte Miki. »Sonst bringt uns der alte Sack noch eine weitere Nacht um den Schlaf.«
    »Scheiß Alter, soll er endlich krepieren, weniger als einen Meter von mir entfernt, beide glücklich zu wissen, dass ich im Sterben lag«, erinnerte sich Ismael, die Stimme leise, ins Leere starrend. »Weißt du was, Rigoberto? Sie haben mich vor dem Tod gerettet. Ja, die beiden, das
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