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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten
Autoren: Leo Malet
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Tatsachen
präsentieren, sondern auch so was wie ‘ne Theorie, die gerade Gestalt annahm.
    „So was nun!“ rief Hélène, als
ich den ersten Teil beendet hatte. Und dann, mit anderer Betonung sagte sie:
    „So! Was nun?“
    „Nun? Ich weiß nicht, ob mich
das zu dem oder den Mördern von Demessy und Joséphine
führen wird. Jedenfalls hab ich ‘ne Menge interessanter Dinge erfahren. Und
mich dünkt — jawohl, es dünkt mich! — , daß auf uns
noch viel Reizendes zukommt. Sehen Sie sich mal den Revolver an, Hélène...“
    Ich hielt ihr das Monstrum
unter die feine Nase.
    „Ganz neu. Noch nicht benutzt.
Direkt aus der Fabrik... aus Rotterdam. Gabriel Laurédant ist im Import-Export tätig. Gestern hat er einem holländischen oder dänischen
oder sonstigen Frachter — inzwischen tippe ich auf holländisch — einen Besuch
abgestattet, am Port de Javel . Die Mannschaft besteht
aus einem schweigsamen Seemann und einem kläffenden Köter. Das Schiff gehört
ihm vielleicht. Vielleicht auch nicht. Egal. Eins steht jedenfalls fest: Das
Schiff kommt aus Holland, und die Kanone auch. Ich wittere dunkle Geschäfte.“
    „Schmuggel?“
    „Ja, meine Süße. Was anderes
noch: Wanda ist nur deshalb zu Joséphine gegangen, weil ihr Mann von der
Hellseherin gesprochen hat. Nehmen wir einmal an, er hatte mit ihr... äh... zu
tun. Surrealist ist er bestimmt nicht. Sein Interesse dürfte nicht poetischer
Natur sein. So sieht er mir nicht aus.“
    „Wie sieht er denn aus? Mehr
wie ‘n Gangster?“
    „Schwer zu sagen. Sie wissen
doch, wie das ist: In den Zeitungen sehen die Gangster immer so aus, wie wir
uns Gangster vorstellen. Obwohl das oft gar keine schlechten Kerle sind, im herkömmlichen
Sinn. Aber wenn die Leute hören: ,Das ist so und so
einer“, dann schreien sie sofort: ,Genauso sieht der aus!“ Bei Laurédant geht’s mir genauso. Jetzt kommt er mir ziemlich
unheimlich vor.“
    „Das ist subjektiv“, bemerkte
Hélène.
    „Also, bleiben wir objektiv. Laurédant stand in geschäftlicher Beziehung zu Joséphine.
Joséphine war ihrerseits geheimer Briefkasten für nordafrikanische
Untergrundorganisationen, algerische Rebellen. Jetzt ein Schuß Phantasie: Die
Organisationen brauchen Waffen. Laurédant scheint den
Artikel zu führen...“
    „Scheint so, als hätten Sie ‘ne
heiße Spur“, warf Hélène ein. „Besser spät als nie. Ich neige zu der
Auffassung, daß Demessy trotz oder wegen seiner
erotischen Wunschträume lebendiger war als ich... als er noch lebendig war.
Kein Wunder, er wohnte ja mittendrin! Seine Neugier hat er dann mit dem Leben
bezahlt. Oder er hat mitgemischt und blieb bei Abrechnungsschwierigkeiten auf
der Strecke. Soll ja vorkommen in den Kreisen. Würde mich aber wundern. Ich
glaube, er hat Dinge gehört und gesehen, die nicht für ihn bestimmt waren.
Darum haben sie ihm das Maul gestopft. Mit anderen Worten: bis jetzt hat mir
das Ganze nichts als Hinterkopfarbeit eingebracht.
Und wenn ich mich nicht täusche, wird das so bleiben. Auch für Demessys Witwe — die richtige, also die falsche, also für
Hortense — wird nichts dabei rausspringen, wenn nichts Unvorhergesehenes
passiert.“
    „Warum sind Sie so sicher?“
    „Wegen dem Unvorhergesehenen.
Fassen wir zusammen: unsere Mohammedaner wollen sich Waffen beschaffen. Laurédant hat welche, nehm ich mal an. Joséphine ist ermordet worden, weil Geld
bei ihr zu holen war. Sehen Sie die Kette, die ich gerade zusammenbastle?“
    „Nein, aber Sie werden’s mir sicher erklären.“
    „Joséphine, der Briefkasten,
hat vielleicht auch als Kassiererin fungiert. Als Mittelsfrau zwischen Käufer
(F.L.N.) und Verkäufer ( Laurédant ). Daher das viele
Geld bei ihr. Und nun... Warten Sie. Ich muß Faroux schnell mal was fragen... falls er noch bei der Kripo arbeitet.“
    Ich schnappte mir das Telefon
und rief Florimond Faroux in der Tour Pointue an.
    „Hallo, Faroux .
Hier Nestor Burma. Sagen Sie, funktioniert Ihre Mausefalle, die Inspektor Benhamidh bei Joséphine aufgestellt hat?“
    „Hervorragend“, lachte mein
Freund. „Totaler Reinfall.“
    „Kein Schwanz gekommen?“
    „Kein Schw... Sehr witzig!“
    „Finde ich auch. Also, niemand
wollte Joséphine besuchen?“
    „Niemand.“
    „Kein Wunder. So’n Mord spricht sich schnell rum. Einer hört die Flöhe
husten, und die springen dann von einem zum andern. Schneeballsystem nennt man
so was. Oder Arabisches Telefon.“
    „Glaub ich nicht. Nur wenige
wissen Bescheid. Wahrscheinlich
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