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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
Autoren: Lynda Curnyn
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Gesundheit. „
Gewohnheit
ist für die gute Gesundheit entscheidend“, erklärte Rena immer, wenn irgendjemand – meistens ich – auf die Tatsache hinwies, dass die meisten Sechsjährigen kein Herz-Kreislauf-Training benötigten.
    Trotz alledem fand ich die Routine irgendwie gut. Meine Füße setzten sich in Bewegung, sobald die Musik begann: Zirkus-Rhythmen und ein Sänger, der klang wie eine Kreuzung aus Barnes der Dinosaurier und Britney Spears. Ich kannte die Schrittfolge für die Aufwärmphase. Und wenn wir uns dann dehnten, in die Hocke gingen oder Beinübungen machten, wusste ich, dass mein Körper biegsam genug war. Zudem war ich in der Lage zu joggen, zu springen und durch den Raum zu fegen und gleichzeitig zehn Knirpsen aufmunternde Worte zuzuwerfen. Knirpse, wie ich hinzufügen möchte, die versuchten, es ihren Eltern Recht zu machen. Die Eltern saßen vor der Wand aufgereiht und schauten zugleich stolz und besorgt drein, weil sie befürchteten, ihre Kleinen könnten stolpern, hinfallen und dann aus der Sendung gekickt werden. Und sie hatten doch so hart dafür gearbeitet, dass ihre Kinder ins Fernsehen kamen!
    In dem Moment, in dem der Uhrzeiger die Dreißig-Minuten-Marke erreichte, seufzte ich wie immer leise auf (was ich allerdings als gesundes Ausatmen zum Wohle meiner winzigen Schüler tarnte), um dann eine letzte Dehnung zu machen und die glücklichen Zwerge unter dem Applaus, der die Sendung beendete, ziehen zu lassen.
    „Gehst du heute Abend mit Kirk aus?“ fragte Colin, als wir in den kleinen Umkleideraum im hinteren Teil des Studios liefen. An der Art, wie er diese Frage stellte, merkte ich, dass er mit der Entwicklung meiner Beziehung zufrieden war. Seine Trennung von Tom vor zwei Monaten war hart gewesen – Colin war ein monogamer Mann –, aber augenscheinlich fand er Trost in der Tatsache, dass auch andere Menschen sich für immer treu bleiben wollten.
    „Natürlich“, antwortete ich, mit all der Zuversicht, die ich wohl haben durfte, wenn man bedachte, in welcher Phase unserer Beziehung wir uns befanden.
    Später am Abend musste ich jedoch feststellen, dass Kirk sich in einer anderen Phase befand.
    Wir waren in seiner Wohnung, in der ich unter der Woche meistens übernachtete. Nicht nur, weil er Ecke 27. Straße und Third Avenue und damit deutlich näher am Studio wohnte als ich, sondern, weil wir einfach jede wache Minute miteinander teilen wollten – und auch jede schlafende, was oft der Fall war, da Kirk dazu tendierte, früh wegzudösen.
    Davon abgesehen war Kirks Einzimmer-Apartment in einem bewachten Wohnblock eine willkommene Abwechslung zu meiner Zweizimmerwohnung ohne Fahrstuhl, die ich mit Justin teilte. Justin war nicht nur mein Mitbewohner, sondern neben Grace mein bester Freund. Kirks Apartment war eine Oase der Ordnung, in den Schränken hingen Reihen von gut gebügelten Hemden, und die Filmplakate an den Wänden waren präzise aufgehängt (ja, wir beide waren Kinofans, obwohl Kirk eine beunruhigende Vorliebe für Horrorstreifen hatte, während mir eher die Klassiker und alles mit Mel Gibson gefiel).
    Selbst sein Medizinschränkchen ist ein unvergesslicher Anblick, dachte ich, als ich an diesem Abend meine Zähne putzte. Die Zahnpasta lag sorgfältig aufgerollt neben dem glänzenden Becher mit seiner Zahnbürste. Sein Rasierzeug (ein Geschenk seiner Ex, das ich einmal durch eine Packung Gillettes ersetzen wollte, allerdings ohne Erfolg) schmiegte sich sehr hübsch an eine Flasche
Chanel for men
(ein Geschenk von mir, besten Dank, er benutzte es nur unter ernsthaftem Druck). Dort bewahrte ich auch mein Antihistaminikum auf – ich neige beim geringsten Anlass zu Allergien: Pollen, Hausstaubmilben, Schimmelpilze. Mit einem zufriedenen Seufzen spuckte ich die Zahnpasta in das strahlend weiße Waschbecken, spülte dann sorgfältig die Reste hinunter, damit das Porzellan nichts von seinem Glanz verlor, und ging zurück ins Schlafzimmer, wo Kirk sich auf dem Bett ausgebreitet hatte. Vor sich einen Laptop, dessen Bildschirm er intensiv studierte.
    „Zeit zum Spielen.“ Ich hüpfte in Boxershorts und T-Shirt (was ich aus der untersten linken Schublade geklaut hatte) aufs Bett.
    „Lass mir noch eine Minute, Sweetie.“ Er blickte kurz hoch und warf mir ein anerkennendes Lächeln zu.
    Ich machte es mir neben ihm bequem, schielte auf den Bildschirm, der mit einem Haufen unverständlicher Codes übersät war, und schnappte mir das Buch, das ich auf Kirks Nachttisch
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