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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser
Autoren: Cate Tiernan
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diejenige würde beseitigt werden müssen. Eine der Zwillinge vielleicht, um ihre geballte Macht zu durchbrechen? Oder einer von denen, die sich ihm gegenüber klar illoyal verhielten? Oder das schwächste Mitglied?
    Er würde sich entscheiden müssen, und zwar bald, bevor er noch mehr an Kraft verlor.
    Das Klingeln an der Tür ließ ihn aufschrecken. Sein Problem hatte ihn so vereinnahmt, dass er nicht gespürt hatte, wie sich jemand genähert hatte, ja nicht einmal, wie dieser Jemand die Treppe heraufgekommen war.
    Er sandte seine Sinne aus und runzelte die Stirn, als er begriff, um wen es sich handelte. Was konnte sie wollen?
    Bevor er die Tür zu seinem Apartment öffnete, straffte er die Schultern, stellte sich aufrecht hin und runzelte streng die Stirn, um stärker, einschüchternder auszusehen.
    » Hallo, Daedalus.« Clio versuchte, gleichgültig zu wirken, doch an der Art, wie sie von einem Bein auf das andere trat und den Schulterriemen ihrer Tasche umklammerte, erkannte er ihre Anspannung.
    Daedalus warf einen raschen Blick hinter sie auf den langen, überdachten Balkon, über den man zu den Wohnungen gelangte. Sie war allein.
    » Wer hat dich hergeschickt?«, fragte er barsch. » Und was willst du? Ich bin sehr beschäftigt.«
    » Ich weiß«, sagte Clio und klang schon selbstsicherer.
    » Nun?«
    » Ich will … dass du mich unterrichtest.« Aus ihrem Gesicht blickten ihm Cerises schöne blattgrüne Augen entgegen. In nur einem Moment fühlte er sich 250 Jahre zurückversetzt.
    » Ich will unsterblich sein«, sagte sie.

Kapitel 4
    Clio
    Ich wartete vor Daedalus’ Tür und versuchte, ruhig und unerschrocken auszusehen. » In der Nacht auf dem Friedhof hast du angeboten, mir zu helfen«, rief ich ihm sein Versprechen in Erinnerung. » Jetzt würde ich gerne darauf zurückkommen.«
    » Petra hat gerade gegen mich gearbeitet, und das während des wichtigsten Zirkels der letzten zwei Jahrhunderte«, entgegnete Daedalus kühl. » Weiß sie, dass du hier bist?«
    Ich zögerte. Würde er ein Nein zum Anlass nehmen, mich kaltblütig zu töten und zu verhackstücken?
    » Nein«, erwiderte ich ebenso kühl und hob das Kinn. Immerhin war ich Clio Martin, und ich hatte Jungs – jungen und alten – weiche Knie verpasst, seit ich vierzehn war. » Aber Thais weiß es.«
    Na ja, allgemein gesprochen. Nicht im Besonderen und nicht jetzt gerade. Sie würde mich umbringen, wenn sie es wüsste.
    Daedalus sah mich an. Einige seiner Lampen warfen einen weichen gelben Schein auf die Wände, was die vier Meter hohe Decke noch höher erscheinen ließ. Er schien eine Entscheidung getroffen zu haben, trat einen Schritt von der Tür zurück und bedeutete mir, hereinzukommen. Fast hätte ich erwartet, gruselige Musik mit so richtig viel Symbolgehalt einsetzen zu hören. » Über diese Schwelle musst du ge – hen, bu – huuuuh.«
    Wie beim ersten Mal, als wir uns alle in seinem Apartment getroffen hatten, ging Daedalus zu einem kleinen Tisch, auf dem kristallene Karaffen standen, die aussahen, als stammten sie von einem Filmset. Er schüttete eine pflaumenfarbene Flüssigkeit in zwei Mini-Weingläser und reichte mir eines. Es roch nussig, warm und süß. Ich wartete, bis er aus seinem Glas getrunken hatte – schließlich war ich nicht so blöd wie Schneewittchen. Er nahm einen kleinen Schluck und schien ihn richtig auszukosten, bevor er ihn schließlich hinunterschluckte.
    Ich beschloss, mit meinem Drink zu warten. Zeit, zur Sache zu kommen.
    » Schau«, sagte ich und atmete tief ein. » Montagnacht – der Ritus. Ich weiß nicht, was mit den anderen passiert ist, aber ich hatte eine Vision. Ich habe mich selbst als Tote gesehen. Ertrunken. Keine Ahnung wieso.« Ich lief an ihm vorbei zu den hohen Balkontüren, die auf die enge Straße hinausgingen. » Ich will nicht sterben. Nicht jetzt. Nie. Ich will unsterblich sein, wie du und die Treize. Bring mir bei, wie der Ritus ausgeführt werden muss, was ich tun muss, damit er funktioniert.«
    Ich sah ihn an, wie er da neben dem Tablett mit den Drinks stand. Was, wenn er es sich anders überlegt hatte?
    » Ich habe mich selbst als Tote gesehen«, wiederholte ich und versuchte, meine Stimme nicht allzu verzweifelt klingen zu lassen. » Das war nicht nur eine Vision – das war real. Es wird passieren. Ich weiß nicht wann, aber es wird bald sein. Und ich muss es verhindern.«
    Ich zwang mich, abzuwarten und mir einen so ruhigen Anschein zu geben, wie ich nur konnte. Ich wollte ihm
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