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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser
Autoren: Cate Tiernan
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bringen. Er läutete.
    Der heutige Morgen schien hundert Jahre zurückzuliegen. Er hatte die tote Clio gesehen, in einem Band aus Wasser, genau wie Cerise vor 250 Jahren. Noch immer verspürte er den Nachhall seines Schmerzes über Cerise, und das würde auch immer so bleiben. Über die Gewissheit, nicht der Vater ihres Kindes zu sein, war er sowohl traurig als auch erleichtert. Der Gedanke, dass sie etwas mit Daedalus gehabt hatte, und sei es auch nur einmal, widerte ihn an. Er hatte Cerise wirklich nicht gekannt.
    Seine Empfindungen für Clio waren tausendmal tiefer, stärker. Beängstigender.
    Ouida öffnete die Tür. Sie blickte ihm prüfend ins Gesicht und umarmte ihn stumm. Er erwiderte die Umarmung und entspannte sich zum ersten Mal.
    » Wie geht es Petra?«
    » In Anbetracht der Umstände überraschend gut«, erwiderte sie.
    In der Küche pfiff der Wasserkessel. Luc und Petra saßen am Tisch. Ouida hatte recht, Petra sah nicht annähernd so schlecht aus, wie er befürchtet hatte.
    » Richard.« Petra blickte ihn an, und er sah das Einverständnis in ihren Augen. » Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Was für ein Tag. Arme Manon. Und Melita …«
    » Ist schon wieder verschwunden«, ergänzte Ouida.
    » Sind die Mädchen okay?«, wollte Richard wissen.
    » Thais ist oben«, erwiderte Luc eine Spur zu breitspurig und besitzergreifend.
    » Dank euch allen geht es ihnen gut«, meinte Petra, während sie an ihrer dampfenden Tasse nippte, in der sich irgendwas Medizinisches mit Kräutern befand.
    » Wie zur Hölle konnte Melita Manon umbringen?«, platzte Richard heraus.
    Petras Gesicht verzog sich vor Schmerz. » Ich glaube … Ich glaube, Melita ist einfach immer noch die stärkste von uns. So stark sie uns auch gemacht hat, die meiste Macht hat sie doch für sich selbst behalten.«
    » War sie diejenige, die versucht hat, die Mädchen zu töten?« Richard wurde rot. » Also nach mir, meine ich.«
    » Wenn sie es versucht hätte, wären sie jetzt tot«, antwortete Ouida. » Nein … Wir haben ehrlich gesagt immer noch keine Ahnung, wer es gewesen ist. Vielleicht Daedalus? Er ist zu verwirrt, als dass wir ihn fragen könnten. Wir wissen es schlicht nicht.«
    Richard blieb stehen und warf Luc einen kurzen Blick zu. » Ich will zu Clio.« Er sah Petra herausfordernd an, wie um festzustellen, ob sie ihn aufhalten würde.
    » Sie ist oben«, sagte Petra. » Ich weiß nicht, ob sie wach ist.«
    Richard nickte, drehte sich dann um und lief die Treppen hinauf. Er hatte keine Ahnung, was er vorfinden würde. Insgeheim rüstete er sich für eine kühle, geringschätzige Clio, die wieder felsenfest zur Stelle sein würde, Todeserfahrung hin oder her. Nun, er würde einfach wieder von Neuem anfangen. Er hatte ja Zeit.
    Hinter dem oberen Treppenabsatz war eine Tür geschlossen und eine nur angelehnt. Richard spürte, dass sich Thais hinter der geschlossenen Tür verbarg. Mehr aus einer Formalität heraus klopfte er sanft an die andere Tür, drückte sie auf und schloss sie dann gleich wieder hinter sich.
    Clio lag auf die Ellbogen gestützt auf ihrem Bett. Sie las nicht und tat auch sonst nichts. Sie starrte einfach nur an die Decke. Sie schien aufzuschrecken, als sie ihn sah, hier, in ihrem Schlafzimmer. Er war überrascht, dass sie ihn nicht kommen gefühlt hatte.
    Ein paar Meter vor ihrem Bett blieb er stehen und betrachtete ihre Schürfwunden, ihre Blutergüsse und ihr immer noch blasses Gesicht. Sie trug ein komisches Etwas aus Flanell, das sehr unsexy wirkte und mit Sushi-Bildern bedruckt war. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte, also blickte er sie stattdessen herausfordernd an, in der Hoffnung, wenigstens einen Streit vom Zaun brechen zu können. Das wäre immerhin eine Art Dialog.
    Ihre schräg gestellten blattgrünen Augen sahen ihn an, und dann … hielt sie ihm die Hand hin.
    Für einen kurzen Augenblick konnte sich Richard vor Verblüffung nicht rühren, dann trat er einen Schritt nach vorne und nahm ihre Hand. Wundersamerweise rutschte sie auf ihrem schmalen Bett beiseite, um ihm Platz zu machen. Nach einem kleinen Moment des Zögerns setzte er sich mit klopfendem Herzen neben sie. Sie lehnte sich an ihn, legte ihm einen Arm auf die Brust, und seine Kehle wurde eng.
    Er hielt sie an sich geschmiegt, streichelte ihr Haar, dachte darüber nach, wie er sie beinahe für immer verloren hätte.
    » Schätze, es ist alles vorbei«, sagte sie. Ihre Stimme war noch immer rau und schwach.
    Er seufzte und
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