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Ein Ballnachtstraum

Ein Ballnachtstraum

Titel: Ein Ballnachtstraum
Autoren: Jillian Hunter
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im Vorübergehen. Maribella St. Ives war berüchtigt dafür, ihre Liebhaber völlig in Beschlag zu nehmen, und ihre Temperamentsausbrüche boten ergiebiges Futter für die Klatschkolumnisten, während Drake es lieber hatte, sein Privatleben in Schweigen zu hüllen.
    Er ließ den Blick durch den Salon schweifen. An einem entfernten Tisch vor dem Fenster spielten zwei Herren eine Partie Écarté. Einer davon war Drakes Cousin Gabriel Boscastle, ein dunkelhaariger kampferprobter Offizier, der in Spanien verwundet worden war. Der zweite Spieler war Lord Horace Thornton, der leichtlebige jüngere Bruder eines früh verstorbenen Freundes von Drake.
    Gabriel spielte mit unbewegter Miene, wie sie nur ein Boscastle zur Schau tragen konnte. Horace hingegen war kreidebleich, trank in hastigen Schlucken und hatte offenbar eine Pechsträhne, worauf sein unsteter Blick und seine fahrigen Bewegungen schließen ließen. Kaltblütig, wie Gabriel nun einmal war, würde er sich nicht scheuen, ihm den letzten Penny aus der Tasche zu ziehen. Drake wandte sich peinlich berührt ab, ihm war nicht danach zumute, Zeuge der Niederlage eines Mannes zu werden, den er ohnehin nicht sonderlich schätzte.
    Im Grunde genommen war ihm nach keiner Zerstreuung zumute. In den letzten Monaten hatte er festgestellt, dass seine Unzufriedenheit sich verstärkte, ohne eigentlich zu wissen, warum. Wobei der nahende Todestag seines jüngsten Bruders Brandon, der so gewaltsam sterben musste, möglicherweise damit im Zusammenhang stand. Und vor einem Monat hatte Drake sich von seiner letzten Mätresse getrennt, die ihm beim Abschied vorgeworfen hatte, ein herzloser Schuft zu sein. Er hatte ihr nicht widersprochen.
    Eine befremdliche Stille im Raum holte ihn unvermutet aus seinen düsteren Grübeleien. Noch bevor er sich umgedreht hatte, um der Ursache nachzugehen, erhoben sich wütende Männerstimmen aus der Richtung des Spieltisches vor dem Fenster.
    Sein Cousin war rot vor Zorn im Gesicht aufgesprungen und hatte Horace an seiner seidenen Halsbinde gepackt. Horace schlotterte vor Angst und schien mit den Tränen zu kämpfen. Drake näherte sich den beiden verdrossen.
    „Er betrügt“, erklärte Gabriel seinem Cousin. „Er spielt mit gezinkten Karten. Schau dir sein Blatt an! Ich fordere Satisfaktion.“
    Horace befreite sich und verschüttete dabei sein Glas Portwein über den Tisch. „Ich bitte Sie, mein Sekundant zu sein, Drake. Sie werden doch nicht ablehnen? Mein Bruder hat Ihnen schließlich einmal das Leben auf dem Schlachtfeld gerettet.“
    Drake war im ersten Moment zu verblüfft, um auf das dreiste Ansinnen zu reagieren. Wie konnte Horace sich bloß in diese peinliche Situation bringen? Wie dumm musste einer sein zu glauben, er könne einen Boscastle betrügen, ohne dabei erwischt zu werden? Und wieso in Gottes Namen sollte Drake sich in ein Duell gegen seinen eigenen Cousin hineinziehen lassen? Zugegeben, er konnte Gabriel nicht besonders gut leiden und hatte allen Grund anzunehmen, dass diese Antipathie auf Gegenseitigkeit beruhte.
    Noch vor einem Jahr hätte er Horace auf der Stelle verprügelt, weil dieser ihn in dieser Weise in aller Öffentlichkeit brüskierte. Gabriel war immerhin ein Blutsverwandter, wenn auch kein besonders angenehmer Zeitgenosse. Betrug beim Kartenspiel aber war absolut ehrenrührig. Andererseits bot Horace einen so jämmerlichen Anblick, und sein Bruder war tatsächlich ein enger Freund von Drake gewesen, ein Soldat, auf den man sich immer hatte verlassen können, bis er in der Schlacht gefallen war.
    Gabriel bedachte Drake mit einem finsteren Blick. „Schön, dich wieder einmal zu sehen, Cousin. Tut mir leid, dass ich Heaths Hochzeit verpasst habe. Im Übrigen nehme ich es dir nicht übel, wenn du diesem Idioten sekundierst.“
    Drake musste lachen. „Und warum nicht?“
    „Frühstücken wir gemeinsam, wenn wir beide überleben?“, fragte Gabriel, ohne auf Drakes Einwurf einzugehen, und winkte einem Diener zu, ihm seinen Mantel zu bringen. „Schließlich bin ich nicht allzu oft in London.“
    Drake zögerte, da er andere Pläne für den nächsten Tag hatte. Er dachte mehr an ein Champagnerfrühstück nach einer heißen Liebesnacht mit Maribella, als seine Zeit mit Gabriel zu vergeuden. „Wir werden sehen.“
    Gabriel lächelte dünn. „Viel Vergnügen heute Nacht.“
    Drake nickte knapp. Offenbar gab es keinen unter seinen Freunden und Bekannten, der nicht wusste, dass die schöne Maribella sich den
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