Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Männer: Robert Falcon Scott, Henry Bowers, Dr. Wilson, Edgar Evans und Lawrence Oates.
    Schon vor Aufbruch der Expedition hatte der Dragoner-Rittmeister Oates in sein Tagebuch geschrieben: »Welch eine kolossale Ignoranz! Wenn Scott den Pol nicht schafft, hat er das mehr als verdient!« Leider bestimmte ihn Scott für die auserwählte kleine Pol-Mannschaft, also folgt er fatalistisch. Befehl ist Befehl. Noch 280 Kilometer...
     
    17. Januar 1912. Fünf Engländer stehen am Ziel — und was sie da entdecken, ist keine Halluzination: In einem Umkreis von etwa einer Seemeile stecken kleine schwarze Fähnchen um den Südpol — und in der Mitte, ein Zelt mit der norwegischen Fahne drauf. Und im Zelt ein kurzer Brief mit kollegialen Grüßen und besten Wünschen für sichere Heimkehr. Unterschrieben: Roald Amundsen. 15. Dezember 1911.
    Vier Wochen Vorsprung! Eine Ohrfeige, eine Beleidigung, ja eine Blamage! Wahnsinnig vor Wut und Enttäuschung pflanzt Scott den »Union Jack« eine Meile entfernt von der Fahne mit dem Olaf-Kreuz auf. So genau wie heute konnte man damals den ganz exakten Punkt des Südpols nicht bestimmen.
    In diesem Augenblick des »Desasters« hat sich Scott wahrscheinlich entschlossen, Amundsen die Schau doch zu stehlen. Wie? Das weiß nur er. Ja, Scott wird sich so rächen, daß der Norweger seines Lebens nicht mehr froh wird!
    Ganz bewußt beginnt Captain Scott schon am Südpol, Eintragungen in sein Tagebuch zu schreiben, die nur für die Nachwelt bestimmt sind.
    Seine vier Gefährten ahnen nichts. Und schleppen sich Tag für Tag hungrig und halb verdurstet auf ihrem langen Marsch in den Tod. Scott ist verzweifelt spät dran. Die Sonne kreist immer flacher um den Horizont. Der antarktische Sommer schwindet schnell, und der Rückweg von 1000 Kilometern bis zum Proviantlager wird ewig dauern. Aber es ist zu schaffen.
    Captain Scott schreibt und schreibt: vom heldenhaften Kampf, von den Qualen, den Krankheiten, den Blizzard-Stürmen, den abgestorbenen Gliedern — von dem Wahnsinn.
    5. Februar 1912 zum Beispiel:
    »Evans benimmt sich zunehmend stupide und untauglich.«
    Das stimmte. Nur, Scott schreibt nicht warum. Nirgendwo verrät er, daß die Kraft der Männer dahinschwindet, weil sie nicht genug zu essen und zu trinken haben. Scott hat die Tagesrationen äußerst knapp kalkuliert. Für nur vier Männer. Mit dem fünften, den er zurückholen ließ, hat er nicht gerechnet. Zehn Tage lang torkelt Evans noch in seinem Geschirr vor dem Schlitten. Er weint und deliriert nachts. Schließlich bricht er im Koma zusammen. Erst dann dürfen die anderen ihn endlich auf den Schlitten legen. In der Nacht darauf schreibt Scott:
    »Die Sicherheit der übrigen schien zu verlangen, daß wir Evans zurücklassen, doch die Vorsehung nahm ihn im kritischen Augenblick gnädig von uns.«
    Das stimmt. Aber warum mußte Evans bis zur tödlichen Erschöpfung den Schlitten ziehen? Am 16. März ist Oates an der Reihe. Er kann keinen Schritt mehr gehen. Seine Beine sind völlig abgestorben, vom Kältebrand befallen.
    Scott schreibt:
    »Ich lasse meine Kranken nicht im Stich.«
    Das stimmt. Aber an diesem Tag befiehlt er Dr. Wilson, an alle eine gewisse, ausreichende Menge einer bestimmten Medizin auszuteilen. Damit »jeder die Möglichkeit habe, über sein Schicksal selbst zu entscheiden«.
    Am nächsten Morgen, dem 17. März — es ist sein 32. Geburtstag kriecht Oates aus dem Zelt und sagt:
    »Ich geh nur mal raus und brauche eine Weile.«
    Scott schreibt:
    »Oates war stolz bei dem Gedanken, daß sein Regiment befriedigt sein würde über die Kühnheit, mit der er dem Tod begegnete.«
    Bleiben nur noch drei. Das Wetter wird zwar zunehmend schlechter und kälter, aber jetzt reichen wenigstens die Tagesportionen zum Überleben.
    21. März 1912. Bowers und Wilson sind zwar nicht in bester Verfassung, aber es geht noch. So kurz vor dem Ziel, da ist es leicht, die letzten Kräfte zu mobilisieren. Scott erteilt aber den Befehl, das Zelt aufzuschlagen. Der Sturm sei zu stark, und außerdem könne er mit seinem erfrorenen Fuß nicht mehr gehen. Bowers will sofort weitermarschieren, um Hilfe zu holen. Alle wissen, daß das rettende Ziel zum Greifen nah ist.
    »Nein«, sagt Scott, »wir bleiben alle drei im Zelt liegen. Die Hundeteams werden uns bald finden!« Wahrscheinlich haben Bowers und Wilson es geglaubt. Sie wissen nicht, daß Scott befohlen hatte, als er nach und nach die Männer zurückschickte, niemand sollte nach ihnen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher