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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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meine bleichen Beine in den rutschenden Socken. Leider nimmt man automatisch immer zuerst den Makel wahr, der das Bild stört. Der Fleck auf dem eleganten Kleid einer Frau am Nachbartisch im Restaurant. Das Schild, das aus der adretten Bluse des Mädels vor einem im Bus rausguckt. Die ausgeleierten Strümpfe zum hübschen Kleid.
    Â»Du musst dir die Strümpfe und die Schuhe wegdenken«, bitte ich Toni zaghaft. Aber die lacht nur, fasst mir mit einer Hand an die Hüfte und dreht mich im Kreis.
    Â»Fantastisch«, quietscht sie aufgeregt. Und sie quietscht wirklich selten.
    Ich halte meinen Blick tapfer von den spärlich bedeckten Knien an aufwärts gerichtet, und mir gelingt sogar ein huldvolles Lächeln. Wirklich gar nicht mal so schlecht.
    Jemand pfeift.
    Der Typ, der plötzlich neben uns steht, hätte das Zeug,
der attraktivste Mann zu sein, den ich jemals abseits der Leinwand gesehen habe. Wenn da nicht noch Rafael und seine grünen Augen wären. Und wenn er nicht so schnöselig herumlaufen würde. Perfekt sitzender grauer Anzug mit bordeauxfarbener Krawatte. Kurzes, gewelltes braunes Haar und dunkle Augen. Ich bevorzuge helle Augen. Dunkle Augen erscheinen mir immer so undurchsichtig. Außerdem habe ich da das Gefühl, ich würde in meine eigenen schauen, die sind nämlich auch braun.
    Ich sehe ihn grimmig an. Gerade habe ich angefangen, mich unwiderstehlich zu fühlen, da macht dieser Typ sich einfach über meinen Auftritt lustig. Ich verstehe auch gar nicht, warum Toni übers ganze Gesicht strahlt. Irritiert sehe ich von einem zum anderen.
    Â»Alexander«, ruft sie, »was machst du denn hier?«
    Er deutet mit gespielt leidender Miene auf eine der geschlossenen Kabinen. »Frag mich in einer Stunde noch mal.«
    Sein Lächeln ist eigentlich ganz süß. Toni will uns gerade einander vorstellen, und wir strecken schon die Hände zu einer höflichen Begrüßung aus, da drängt sich eine sehr schlanke und sehr große Frau zwischen uns vor den Spiegel. Sie trägt mein Kleid. Toni und mich würdigt sie keines Blickes, stattdessen weidet sie sich an ihrem eigenen Anblick. Eine Hand lässig an ihrer Hüfte, ein Bein leicht abgewinkelt, dreht sie sich langsam zur Seite und guckt kokett über ihre Schulter, als müsse sie sich am Ende eines Laufstegs in Pose werfen. Ihr unglaubwürdig volles, langes Haar (sicher Extensions) bewegt sie schwungvoll mit – wie in der Shampooreklame. Sie ist sicher ein Model mit genügend Zeit, sich einen so gleichmäßig gebräunten Teint zuzulegen. Die
Augenbrauen hat sie sich in die Form von eleganten Rabenschwingen zupfen lassen. Ich sehe uns nebeneinander im Spiegel an. Es ist natürlich demütigend. Ich wirke noch kleiner und wegen der bleichen Beine in den Socken eher gedrungen. Sie hingegen trägt eine schwarze, fast transparente Strumpfhose. Nein, wohl eher Strümpfe, korrigiere ich mich. Mit aufwendig dekorierter Spitzenborte natürlich. Dieses Wesen würde sicher nie etwas tragen, das beim Ausziehen doof aussieht. Und sie kann sicher jederzeit damit rechnen, dass jemand sie ausziehen will. Ich bin mir sicher, sie vergleicht uns ebenfalls, kurz hat ihr Lächeln boshaft gewirkt. Ich hasse sie instinktiv. Sie ist perfekt.
    Â»Und?«, fragt sie Alexander. Ihre Stimme klingt allerdings eher nach Minnie Mouse als nach Vamp. Ha! Ätsch!
    Â»Ich weiß nicht genau«, sagt Alexander.
    Entgeistert starrt sie ihn an. »Gefällt dir das Kleid denn nicht?«
    Â»Ich habe nur gerade überlegt, ob es nicht besser für etwas üppigere Frauen geeignet ist.«
    Ich weiß nicht, wer von uns beiden ihn vernichtender anfunkelt. Dann schaut das Model mit abfälligem Blick wieder zu mir. Toni grinst.
    Â»Vielleicht hast du Recht«, quiekt Alexanders Begleiterin eisig, »in diesen Billigläden finde ich nie etwas. Nur Dorftrampelschnitte und Billigstoffe.«
    Sie geht wieder in ihre Kabine.
    Â»Hoppla«, warne ich Tonis Bekannten mit zuckersüßer Stimme, »ich bin mir nicht sicher, ob sie es Ihnen danken wird, dass Sie sie davor bewahrt haben, das gleiche Kleid zu kaufen wie die billige Planschkuh von nebenan.«

    Er sieht mich verwundert an – und ein wenig neugierig, als wäre ich ein entzückendes Zootier, das gerade ein besonders unterhaltsames Kunststück zustande gebracht hat. Er macht mich ziemlich wütend. Und dann lacht
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