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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser
Autoren: Jacques Berndorf
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eine Menge undefinierbarer Geräusche. Dann hörte ich: »Mein Mitarbeiter sagt: Breidenbach war komplett. Dem fehlte kein kleiner Finger.«
    »Dann hast du ein Problem«, meinte ich vorsichtig.
    »Es ist eindeutig ein menschlicher Finger?«, fragte er so verzweifelt, als hoffte er, das Problem habe sich während der letzten zwei Sekunden in Luft aufgelöst.
    »So ist es. Rodenstock und ich denken, es muss eine weitere Person hier gewesen sein, als die Lawine abging. Wie heißt der Mann, der die Sache bearbeitet hat?«
    »Gregor. Gregor Niemann«, antwortete er tonlos.
    »Hast du Breidenbach schon zur Beerdigung freigegeben?«, fragte ich weiter.
    »Natürlich. – Ich muss den Leitenden Staatsanwalt erreichen. Er muss ... er muss alles stoppen. Bleibt bitte, wo ihr seid. Ich schicke Niemann.« Und dann: »Heilige Scheiße, das ist zum Kotzen!«
    »Tut mir Leid«, sagte ich.
    »Schon gut«, lenkte er ein. »Sag dem blöden Rodenstock, ich hätte ihm verziehen. Und danke für ... na ja, für den Hinweis.« Kischkewitz unterbrach die Verbindung.
    »Ein Niemann kommt. Gregor Niemann. Kischkewitz ist aus der Fassung und flucht nur noch. Aber er hat dir verziehen.«
    »Sieh mal einer an«, spöttelte Rodenstock. »Suchst du jetzt die Löcher?«
    »Zu Befehl!« Ich ging wieder in die Knie.
    Er hockte sich auf einen Basaltbrocken und starrte Löcher in die Landschaft. Unvermittelt fragte er: »Glaubst du, dass Emma mit dem Häuschen glücklich wird?«
    »Ja, natürlich. Sie will es haben und sie wird es wie eine Schatzkiste einrichten. Sie ist glücklich mit dir. Aber könntest du dein Hirn und deinen Bauch jetzt dem Fall hier zur Verfügung stellen?«
    »Ach, lass mich doch«, säuselte er voll Melancholie. »Manchmal weiß ich nicht, wie ich ihr danken soll. Ich denke, alles, was ich ihr schenke, ist zu wenig.«
    »Es ist immer zu wenig«, sagte ich weise und tastete in einer fünf Zentimeter tiefen Pfütze herum. Gleich daneben lag ein kleiner, flacher Basaltstein, nicht größer als eine Streichholzschachtel. Als ich ihn weggenommen hatte, überlegte ich laut: »Wie groß mag der Durchmesser eines Zeltes sein?«
    »Einsachtzig bis zwei Meter, denke ich.«
    »Dann muss ich nach links in einsachtzig bis zwei Meter ... Halt, hier ist es schon. Das Zelt stand hier.«
    »Markier die Löcher mit Holzstäben oder so was«, schlug Rodenstock vor. »Und dann müssen wir einen Teil der Steine wegräumen. Obwohl wir dabei Spuren vernichten könnten. Also langsam und betulich im Beamtentempo.«
    »Ja, ich weiß. Kann schließlich noch wer drunterliegen, oder?«
    »Genau!«, nickte er. »Das wäre sogar ganz erfreulich.
    Dann müssten wir nach dem Besitzer des Fingers nicht mehr lange suchen.«
    Ich ging zu der Pfeifenweide und schnitt einen Zweig ab, damit ich die Löcher kennzeichnen konnte. Dann begannen wir mit dem Abräumen des Steinhaufens, wobei wir die Stelle, wo der Finger lag, ausnahmen, um eventuelle Spuren nicht zu zerstören.
    Die Spitze des Felsberges lag gute zweieinhalb Meter über der Erde und wir hatten Mühe, die Steine zu bewegen, zu drehen, genau anzugucken.
    »Du stehst an einer erdgeschichtlich wichtigen Stelle«, dozierte ich. »Hier brandete das Urmeer auf ein Riff. Auf der Erde befand sich nur ein großer Kontinent, Pangäa hieß der. Und unsere Eifel lag auf der Höhe des heutigen Iran. Du siehst Gesteine geschichtet, die das Riff ausmachten. Jede Menge Fossilien, Schnecken, Seelilien und anderes Getier.«
    »Lass mich damit in Ruhe«, knurrte er. »Erdgeschichte interessiert mich im Moment weniger als die Geschichte des Franz-Josef Breidenbach. War jemand bei ihm, als er starb?« Er hielt einen etwa kopfgroßen Stein in der Hand mit hellen Verfärbungen und verschlungenen Linien, die in ihrem satten roten Ton wie ein modernes Gemälde wirkten. Rodenstock lächelte: »Alter Mann im Steinbruch. Sieh mal hier: schönes grünes Moos.«
    »Moos? Etwa an dem Brocken in deiner Hand?« Meine Stimme erreichte eine unnatürliche Höhe.
    »Ja, Moos«, nickte er. »Was ist daran Besonderes? Wir befinden uns in einem Waldgebiet.«
    »Nicht wegwerfen, halt den Brocken fest! Das ist verdammt komisch. Das ist sogar mehr als komisch.«
    »Baumeister, lass mich nicht unwissend sterben. Lass mich an deiner Weisheit teilhaben.« Er grinste faunisch.
    »Mein Gott«, schnauzte ich. »Schau mal nach oben, schau dir die Steilwand an. Auf manchen Steinflächen siehst du Farbflecke, Verfärbungen. Das sind Flechten, kein Moos,
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