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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser
Autoren: Jacques Berndorf
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tonnenschwere. Sie waren aus der zwanzig Meter hohen senkrechten Wand über uns herausgebrochen. Die Bruchstellen waren hell, unverdorben, unberührt. Eine Verbindung zu Tod und Verderben ließ sich nicht feststellen, das Bild war zu still und zu abstrakt.
    Ich konzentrierte mich auf den Steinhaufen und entdeckte schwarze und dunkelblaue Stellen, kleine Flächen. Sie lösten sich auf, gaben sich zu erkennen: Es waren Stücke des Zelttuches, das zerfetzt und zerrieben worden war. Und ich erkannte eine dünne, schwarze Stange mit einem chromglänzenden Ende.
    »Er hatte keine Chance«, murmelte Rodenstock.
    Zu unseren Füßen lag eine etwa sechs Zentimeter breite, endlos lange rot-weiße Plastikstrippe, auf der Polizei zu lesen war. Sie wirkte wie die Fahne einer besiegten Truppe.
    »Sie haben ihn aus dem Haufen herausgeholt und abtransportiert. Das war's.« Rodenstocks Stimme klang leer. »Ja, mehr gab es nicht zu tun. Ein einfacher Fall. Unnatürlicher Tod infolge eines Felsabganges nennt man das.« Er drehte sich hin und her. »Es ist schön hier.«
    »Wer hat ihn gefunden?«, fragte ich.
    »Ein Waldarbeiter, der am frühen Freitagmorgen die Steilwand mit einem neuen Absperrseil sichern sollte. So stand es in der Zeitung. Um acht Uhr morgens.«
    Jemand hatte ein paar Zeltfetzen aus dem Steinchaos herausgerissen und auf einen Haufen geworfen, als ob er sie sortieren wollte.
    »Das ist Breidenbachs Blut.« Rodenstock deutete auf einen schwarzen Fleck, der auf einer hellen, glatten Steinfläche auffiel. »Es bleibt nicht viel, es bleibt nie viel.«
    »Warum, um Gottes willen, diese rabenschwarze Stimmung? Was du hier siehst, hast du dein ganzes Leben lang gesehen, schließlich bist du Kriminalbeamter.«
    »Ich weiß nicht«, er zuckte mit den Achseln und setzte sich auf einen der tiefschwarzen Basaltblöcke, die seit Jahrzehnten unterhalb der Wand lagen. Helle, grellgelbe Flechten hafteten auf ihnen, Schwefelflechten.
    Ich setzte mich ihm gegenüber auf einen anderen Block. »Was ist jetzt? Hast du immer noch dieses komische Gefühl?«
    Er nickte nur, griff in die Innentasche seiner Windjacke und holte eine Metallröhre mit einer Zigarre heraus. »Bringen wir erst einmal ein Rauchopfer.«
    Ich zog den Tabakbeutel aus der Tasche und stopfte mir eine Vario von Danske Club. Als sie brannte, sagte ich: »Es gibt Enzian, einen besonderen Enzian, der vornehmlich auf Magerrasen wächst. Und Seidelbast, der wächst hier auch.«
    Cisco schlich heran und sah mich an. Ich kraulte ihn. Dann trollte er sich wieder.
    »Du brauchst mich nicht abzulenken«, entgegnete Rodenstock spöttisch.
    Dann kam die Frau.
    Ihr dunkelblaues Golf Cabriolet kroch langsam von der unteren Sohle auf unsere Ebene hoch. Das Verdeck war zurückgeklappt, das Fahrzeug wirkte fehl am Platz. Der Wagen hielt, die Frau stieg aus, nickte uns zu und ging dann an uns vorbei, als seien wir gar nicht vorhanden. Sie stellte sich vor den Steinhaufen und starrte mit unbewegtem Gesicht auf das Durcheinander. Dann machte sie zwei Schritte vor, griff einen Zeltfetzen und hielt ihn vor ihr Gesicht, als könne er ihr irgendeine Auskunft geben. Plötzlich ließ sie den Fetzen wieder fallen.
    Die Frau war schlank, vielleicht vierzig oder fünfundvierzig Jahre alt. Sie trug dunkelblaue Jeans, einen dünnen weinroten Pullover und dazu ein buntes, fröhliches Halstuch. Ihr Haar war dunkelbraun oder schwarz, das war in diesem Licht nicht zu erkennen, zu einem Pagenkopf geschnitten und wirkte sehr gepflegt. Ihr Gesicht war rundlich und sehr weich geformt. Sie wirkte wie ein Mensch, der eigene Entscheidungen trifft, der widerborstig sein kann. Und zugleich wirkte sie wie jemand, der Schmerzen hat und nicht darüber reden mag.
    Sie hob den Kopf, als müsse sie einen Geruch aufnehmen.
    In diesem Moment sagte Rodenstock deutlich und ohne jede Betonung: »Sie sind seine Frau, nicht wahr?«
    Sie drehte sich zu Rodenstock um: »Das ist richtig.« Sie überlegte zwei Sekunden und setzte hinzu: »Ich wollte das hier nur sehen.«
    Rodenstock nickte. »Und? Fällt Ihnen etwas auf?«
    Sie schürzte die Lippen. »Nein. Was sollte mir denn auffallen?«
    »Das weiß ich nicht«, entgegnete er locker.
    »Und wer sind Sie?«
    »Ein Bekannter Ihres Mannes. Er war ein beeindruckender Mann.«
    »Ja, das war er«, nickte sie langsam.
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«, fragte Rodenstock.
    »Am Donnerstag, als er aus dem Haus ging, um hier sein Zelt aufzubauen.«
    »War er oft hier?«
    »Ziemlich
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