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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser
Autoren: Jacques Berndorf
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genau feststellen können, ob das Tuch zerrissen oder zerschnitten wurde«, sinnierte Rodenstock. »Jetzt zurück zu dir, Niemann. Was war am Freitag?«
    »Es war zum Kotzen«, erzählte er leise und versuchte erneut, sich eine Zigarette zu drehen. »Ich hatte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Bereitschaft und hab mich um Papierkram gekümmert. Den Donnerstag hatte ich ohnehin schon durchgearbeitet. Ich war bei einem Brand auf einem Bauernhof, hatte eine versuchte Vergewaltigung unter Schülern unten an der Mosel, dann einen unklaren Todesfall. Eine Rentnerin, die tot im Bett lag und deren rechte Gesichtshälfte einen mordsmäßigen Bluterguss aufwies. Die Erben standen schon in den Startlöchern. Als am Freitagmorgen die Nachricht hier aus dem Steinbruch eintrudelte, hatte ich vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Ich war besoffen vor Müdigkeit. Also, ich kam hier an und ...«
    »Langsam jetzt«, bat Rodenstock. »Ganz langsam. Und merk dir eines, mein Junge: Wir sind nicht hier, um dir Vorwürfe zu machen. Mir ist früher in deinem Alter auch mal ein ganz dickes Ding passiert. Ich übersah an der Leiche einer alten Frau einen Mord mit anschließender Vergewaltigung. Nur weil ich todmüde war. Fang also nicht an, in Selbstvorwürfen zu ersaufen. Die Ausgangssituation ist doch im Moment sehr gut. Besser kann es gar nicht sein.«
    »Wie bitte?«, fragte ich überrascht.
    Auch Gregor Niemann sog erstaunt Luft ein: »Wieso?«
    »Die Medien haben von einem Unglücksfall berichtet. Von unklarem Todesfall oder gar von Totschlag oder Mord war nicht die Rede. Wir halten alle gemeinsam die Schnauze und ermitteln. Das ist keine schlechte Startposition. Du kamst also mit der Maschine hier an. Um wie viel Uhr war das?«
    »Acht Uhr sechzehn«, antwortete Niemann, ohne zu zögern. »Es regnete immer noch in Strippen. Der Waldarbeiter, der die Polizei angerufen hatte, saß auf einem alten Fergusson, 28 PS. Der Mann war vollkommen durch den Wind, stotterte vor Aufregung. Er war ungefähr um 7.30 Uhr in den Steinbruch eingefahren und wollte da an der Kante zur unteren Sohle ein Absperrseil anbringen. «
    »Wer ist dieser Waldarbeiter?«, fragte ich.
    »Martin Schimanski aus Flesten. Ledig, katholisch, zweiundfünfzig Jahre alt, ehemaliger Kleinbauer, jetzt Waldarbeiter im Gemeindedienst. Er kannte Franz-Josef Breidenbach seit vielen Jahren und wusste, dass der oft hier zeltete, um Naturbeobachtungen zu machen.«
    »Die Position der Leiche«, forderte Rodenstock.
    »Breidenbach befand sich rechts von dir, ungefähr vier Meter weiter auf dem Steinhaufen, der aus der Wand gestürzt war. Er lag eigentlich nicht drauf, sondern zur Hälfte unter den Felsen. Ungefähr in zwei Meter fünfzig Höhe über dem Boden. Seine untere Körperhälfte war von kleinen und großen Steinen bedeckt. Er lag auf dem Rücken und war eindeutig tot, und das seit Stunden. Es war recht warm, deshalb hatte die Leichenstarre bis dahin nur in den Beinen und Armen eingesetzt.«
    »Wie konnte es geschehen, dass er oben auf dem Steinhaufen lag?«, fragte ich. »Wenn er im Zelt gewesen ist — davon gehe ich mal aus –, dann muss er vollkommen von den Steinen zugeschüttet worden sein. Und auch das Zelttuch hätte ihn bedecken müssen.«
    Niemann nickte. »Richtig. Das habe ich auch im ersten Moment gedacht. Aber es gibt eine andere, nahe liegende Möglichkeit. Nehmen wir an, die ersten Steine lösen sich oben in der Wand. Sie treffen das Zelt. Breidenbach reagiert sofort, kriecht raus und kann sich noch bewegen, sodass er ziemlich weit aus dem Steinhaufen herausragt.«
    »So kann es abgelaufen sein«, sagte Rodenstock. »Wie sahen seine Verletzungen aus?«
    »Ich habe ihn erst einmal von dem Steinhaufen runterziehen müssen, um überhaupt einen Überblick bekommen zu können. Dann habe ich ihn abgetastet. Er hatte mindestens sechs Rippen gebrochen. Auf der rechten Schädelhälfte waren schwere Steineinschläge zu erkennen ...«
    »Moment«, unterbrach ich. »Haben die Steine den Kopf direkt getroffen, oder war zwischen Steinen und seinem Kopf das Zelttuch?«
    »Kein Zelttuch. Die Steine trafen ihn direkt. An den Bruchrändern habe ich Steinkrümel gefunden. Der Schädel war regelrecht zertrümmert. Die Verletzung hätte niemand überleben können. Austritt von Hirnmasse.« Er machte eine ausholende Bewegung mit beiden Armen. »Oder er hielt sich außerhalb des Zeltes auf, weil er mal pinkeln musste.«
    »Er war vollständig bekleidet?«, fragte
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