Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
wurde nichts, weil der Chef der Familie gerne einen gepichelt hat, also, der Udo hat alles versoffen. Und dann ist er auf seinem Quad mit vierkommanochwas Promille und Vollgas geradeaus gegen die Betonumrandung seines Mistplatzes gedonnert. Schluss aus. Seine Frau lebt ja immer noch auf dem Hof, die alte Tilly, ein Schlachtross so breit wie hoch. Der möchte ich nicht gegen Abend auf einem Waldweg begegnen, das kann ich dir versichern.«
    »Und wer macht jetzt den Betrieb da oben?«
    »Der Sohn, Ulrich Hahn. Er muss so an die dreißig sein. Und seitdem er den Betrieb da regelt, seitdem ist da immer Remmidemmi. Die Mutter hat nichts mehr zu sagen, Sohn Ulrich soll ihr ein paar gescheuert haben, als sie sich einmischen wollte. Der Mann ist eindeutig rechts außen, der ist gefährlich, sage ich dir. Da kommen Autos aus Sachsen und Thüringen, und da kommen Autos aus Düsseldorf und aus dem Münsterland. Die Leute machen da richtig Ferien, und sie machen immer einen drauf. Lustige Leute.«
    »Und sind die alle rechts außen? Bodo, pass mal auf: Ich kann nichts anfangen mit dem Gerücht, es reicht mir nicht, wenn dauernd die Bemerkung kommt, das wären Neonazis, ich brauche handfeste Tatsachen.« Ich merkte, dass ich wütend wurde, und das war kein guter Zustand.
    Er schwieg sehr lange. Dann erklärte er: »Ja, okay. Kapiert. Reicht es dir, wenn ich sage, dass sie mit ungefähr dreißig Mann und ein paar Frauen um ein Lagerfeuer gesessen haben und einer las aus Hitlers
Mein Kampf
vor? Reicht dir das?«
    »Wie kannst du denn so etwas behaupten? Kannst du das Buch auswendig zitieren?«
    »Kann ich nicht!«, erwiderte er wütend. »Aber ich habe immer noch ein Exemplar von meinen Großeltern, und ich habe es aufmerksam gelesen. Schließlich muss ich meinen Kindern die Wahrheit sagen. Da drin steht der berühmte Satz:
Ich aber beschloss, Politiker zu werden!
Das kennst du doch, oder? Jeder kennt das. Jedenfalls standen an der Stelle einige von denen auf, hoben die Hand zum Hitlergruß und riefen: ›Heil! Heil! Heil!‹ Aber zitieren kannst du mich nicht, sonst habe ich kaum Zukunft.«
    »Ich würde dich gerne in den kommenden Tagen besuchen. Geht das?«
    »Ruf aber vorher an, damit ich da bin.«
    Artig bedankte ich mich für das Gespräch und verabschiedete mich mit dem Versprechen, mich wieder melden zu wollen.
    »Mach et joot, Jung«, sagte Bodo Lippmann zum Schluss.
    Ich setzte mich eine Weile auf die Terrasse und trank einen Becher Kaffee. Ich musste Hitler und seine Bewunderer wahrnehmen, ich konnte nicht mehr ausweichen, ich fiel augenblicklich in eine strenge Art des Fremdschämens.
    Du denkst empört: Das kann doch nicht sein! Nicht in meiner Eifel! Gleichzeitig weißt du, dass das ab jetzt Realität ist, dass es nicht erlaubt ist wegzuschauen, dass es höchste Zeit ist, darüber zu reden.
    Und jetzt dieser Tote, der dort drei Jahre lang zu Hause gewesen sein soll, wie Rodenstock berichtet hatte.
    Der Streifenwagen kam durch die Kurve auf meinen Hof gerollt. Ich nahm das Protokoll und den Stick und brachte es ihnen an den Wagen. Sie bedankten sich und fuhren weiter.
    Ich rief Hansemann in der Redaktion in Hamburg an und fragte: »Hättet ihr Interesse am Wachsen und Blühen einer jungen Neonazigruppe in tiefster Provinz?«
    »Das kommt darauf an«, antwortete er. »Wenn es typisch ist. Wenn etwas Besonderes damit ist.«
    »Da ist ein Mord passiert.«
    »Okay, ich notiere das. Und du rufst wieder an?«
    »Ich rufe wieder an.«

    Danach saß ich mit dem nächsten Becher Kaffee wieder auf der Terrasse und dachte darüber nach, dass wir über diesen Eulenhof nichts wussten. Nichts über die Verhältnisse dort, nichts über die Menschen. Seit wann war es eigentlich die Regel, dass wir knapp, kommentarlos und selbstverständlich die Meinung äußerten, die Leute dort seien Neonazis? Seit Jahren. Ich dachte erschreckt: Da muss ich sofort fragen gehen.
    Ich setzte mich also in mein Auto und fuhr nach Bongard hinüber. In der engen Straßenkehre unten am Ahbach hielt ich an und dachte: Du baust Blödsinn, mein Freund. Du baust Blödsinn, weil wahrscheinlich jemand von der Mordkommission auf dem Hof ist und herauszufinden versucht, wie die Stellung des toten Blue zu beschreiben ist.
    Ich bremste mich selbst und meinen Eifer, indem ich Rodenstock anrief. »Hat die Mordkommission den Eulenhof besucht?«, fragte ich. »Und was sagen die Leute dort?«
    »Das ist merkwürdig«, antwortete er. »Sie sagen, dass der junge Mann dort
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher