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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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einander zu kennen. In trauter Gemeinschaft umschwirrten sie mich, schillernd grüne Fliegen, Falter, Stechmücken.
    Um mich schlagend hätte ich fast ein Schild übersehen, das Schild des einzigen Ladens in dieser Straße: Döner 24. Inhaber: Özcan Breithuber. Und darunter, in flammendem Rot: Haxn-Hotline. Und eine Handynummer. Auch dieser Laden war geschlossen, hinter der Schaufensterscheibe der übliche Spieß mit Fleisch, eine Theke, ein Kühlschrank. Zumindest ein Teil der mich begleitenden Insekten schien sicher zu sein, dass Özcan Breithuber gleich wiederkommen würde. Die Fliegen ließen sich zuversichtlich auf der Scheibe nieder, und ich nutzte die Gelegenheit, verabschiedete mich von ihnen und trabte Richtung Parkplatz. Dann würde ich eben beim Abarbeiten meiner Einkaufsliste Kaffee trinken. Wo war das Problem?
    Schon schien der Großstadtstress von mir abzufallen. Gut, dass ich hier der Natur so nahe war. Und noch besser, dass ich einen Bus hatte, um mich von zu viel Natur wegzubringen.
    Der nächste Vorposten der Zivilisation, der außer einem Supermarkt auch einen Baumarkt aufzuweisen hatte, war laut Bruce neun Kilometer entfernt.
    In der ersten Linkskurve fiel mein Blick zufällig auf die Benzinanzeige. Die Nadel stand im roten Bereich des roten Bereichs, drückte sich in die linke Ecke, als ob sie sich am liebsten unsichtbar machen, im Unterbewusstsein der Tankanzeige verschwinden wollte. Was leider in der nächsten Rechtskurve so blieb. Gestern, im Drang des Ankommens, hatte ich nicht mehr darauf geachtet, und die lässige Mitteilung von Bruce, dass sich die nächste Tankstelle dreizehn Kilometer entfernt befand, machte es nicht besser. Nach drei Kilometern beschloss ich zu wenden. Gegen Bruce’ Protest. Im selben Moment, in dem der Bus beschloss, erst zu ruckeln, dann zu röcheln und schließlich stehen zu bleiben. Gegen meinen Protest. Mit dem Motor verabschiedete sich auch Bruce. Dann nur noch Vogelgezwitscher.
    Eine Weile lauschte ich den Lauten der Natur und versuchte, der Lage etwas Positives abzugewinnen. Auch noch, nachdem ich mit dem ADAC telefoniert und festgestellt hatte, dass Christiane kein Mitglied mehr war, zehn Kilometer Abschleppen nur mit einer neuen Mitgliedschaft möglich und ansonsten sehr teuer wäre. Auch dann noch versuchte ich, positiv zu denken. Was mir von Meter zu Meter in meinen Stoffturnschuhen – zum Glück hatte ich nicht die gestreiften Peeptoes von gestern an – schwerer fiel. Mit rotem Kopf und brennenden Füßen erreichte ich den Parkplatz. Therese stand rauchend in der Tür ihres Cafés, wie gestern im Dirndl und mit Cowboyhut. Unter den Spitzen des Rocks lugten Spitzen von Cowboystiefeln hervor. Warum auch nicht. Wenn man dem unfreundlichen Hundebesitzer glauben wollte, machte sie irgendetwas mit Kühen. Wobei ich sie mir in diesem Aufzug schlecht auf einer Weide vorstellen konnte. Sie hatte etwas Lidschatten und Lippenstift aufgelegt, kein Make-up, um die Augen zog sich ein ganzes Straßennetz an Lachfältchen. Vermutlich war sie in Christianes Alter. Ein Alter, das meine Chefin dezent mit »auf der falschen Seite der vierzig« umschrieb.
    »Wuist an Kaffee?« Sie schob den Hut in den Nacken, sah mich lauernd an.
    Und ob ich einen Kaffee wollte. Jede Faser meines Körpers lechzte geradezu nach einem Latte macchiato. Trotzdem schüttelte ich den Kopf. Ich hätte Therese zwar ganz gerne einiges gefragt, was das Haus und seine Exbewohnerin betraf, aber meine Chefin hatte von einer »diskreten Angelegenheit« gesprochen, und so, wie Therese mich ansah, hatte ich das Gefühl, dass eher sie mich ausfragen würde. Abgesehen davon wirkte die Hütte nicht, als warte darin eine italienische Espressomaschine auf nach Latte lechzende Kundschaft.
    »Passt ois?«
    Ich sah sie verständnislos an. Was meinte sie? Ob meine qualmenden Turnschuhe mir nach dem Marsch noch passten? Ob mir der Zustand des Hauses passte? Immerhin hatte sie mich ohne Vorwarnung in dieses Staub- und Spinnenparadies geschickt.
    »Wennsd Hilfe brauchst, frag den Quirl. Er wollt eh amoi schaugn, wies eahm geht.«
    »Danke.« Wofür ich mich eigentlich bedankte, wusste ich nicht. Das Letzte, was ich brauchte, war ein Quirl.
    Abgesehen davon gab es im Haus garantiert eine ganze Quirlsammlung. Was mich an das erinnerte, was als Nächstes zu tun war. Ich sah auf die Uhr: kurz vor zehn. Ich musste den Grundriss zeichnen. Zur Not eben auf Zeitungspapier. Bei einer Tasse Instant-Latte aus meinen
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