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Eiertanz: Roman (German Edition)

Eiertanz: Roman (German Edition)

Titel: Eiertanz: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Brendler
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gebraucht. Eine Stimme, die leiser wurde, Picco beschwor, jetzt bitte den Rand zu halten, nur für einen Moment, hier habe er nichts zu melden. Um dann zu flüstern: »Mei Gina, es ist jetzt ned der richtige Zeitpunkt, und ich weiß auch nicht, ob dein Muskelmann mich dafür verprügelt, aber es ist mir auch egal …«, ich hörte, wie er Luft holte, zittrig wieder ausatmete, »… ich hab mich in dich verliebt.«

22.
    E r küsste mich nicht gleich. Er kam nach mir die Leiter herunter, einen kleinlauten, zerzausten Picco gegen seine Brust gedrückt. Er schob mich auf einen mit räudigem Kunstpelz überzogenen Hocker, wies mich an, sitzen zu bleiben, vornübergebeugt, den Kopf zwischen den Knien, ich sähe aus wie ein Laken. Dann hörte ich seine Schritte auf der Treppe. Ich blickte auf Kondome, verschwimmend, changierend zwischen Gelb und Giftgrün, ich versuchte, tief ein- und auszuatmen, gegen die Wände meines Dirndlgefängnisses. Ich hörte, wie er mit Picco redete, ihn als blöden Hund bezeichnete, in zärtlichem Ton, von dem mir noch schwindliger wurde. Ich hörte, wie er mit jemand sprach, Julia vielleicht, hörte Wasser rauschen, dann wieder seine Schritte auf der Treppe zum ersten Stock, zum zweiten.
    Er war papageienlos, im offenen Hemd, Neoprenanzug und Müllsacklendenschurz, er stellte ein Tablett auf den Boden. Und verriegelte die Tür hinter sich.
    »Hast du … hast du ihn eingesperrt?«
    »Ja, allerdings.« Er hob das Tablett wieder hoch, kam auf mich zu.
    »Aber ich hab ihm doch versprochen …«
    »Weißt du, Gina, du hast ihm ziemlich viel versprochen.«
    Er lachte. »Trink einen Schluck Wasser. Und vielleicht isst du auch etwas.«
    Er stellte das Tablett auf meinem Schoß ab, platzierte es vorsichtig auf den Kondomen. Auf dem Tablett ein Glas Wasser und ein Fladenbrot.
    »Ich … will nichts essen.«
    »Nein?« Sein Gesicht, dicht vor mir, immer noch die steile Falte auf seiner Stirn, ich strich sie glatt.
    »Glaub mir, es war nichts mit Strobl. Ich wollte nur ins Hotel … die Schokolade auf dem Kopfkissen … Ich konnte doch nicht wissen, dass er auf Korksohlen … Äh, na ja … Vielleicht war es nur wegen der Aphrodisiaka-Haxe. Ich musste seinen Schuh über den Parkplatz werfen, und dann bin ich gerannt.«
    Ich verstummte, hilflos. Sein Lächeln, das ich aus seinen Mundwinkeln pflücken wollte, seine Arme um meine Hüften, seine Hände auf raschelndem Gummi, seine Lippen an meinem Ohr, das er bei dieser Gelegenheit gleich küsste, sein Flüstern, das mit Strobl müsse ich ihm genauer erzählen, später. Ein Glas, das umfiel, ein Fladenbrot, das plattgedrückt wurde, sich stumm in sein Schicksal ergab, als ich vom Hocker in seine Arme rutschte und wir zwischen Angelausrüstungen, Briefmarkensammlungen und Bananenaufkleberchen zu Boden sanken, beglotzt von mindestens einem Dutzend Hirsch- und Eberaugen.
    Was mit Susn sei, fragte ich zwischen zwei Küssen, strich mit dem Daumen über seinen Schnitt am Kinn, den Susn, Quirins Cousine, ihm nicht im Liebesrausch zugefügt hatte. Ob ich nicht wisse, dass Susn Thereses Tochter sei, sie seien zusammen aufgewachsen, er kenne auch ihren Freund gut. »Sie ham sich verkracht, weißt, ihr Freund ist nach Frankreich gefahren, zum Zelten, und was machts, die dumme Henna«, er hielt inne, um meine Silberkappe abzustreifen, »fährt mit dem Stroblbrunza in seinem Porsche in die Disco und wundert sich, wenn er mehr will.« Seine Hände in meinem Haar, der nächste Kuss, der seinen Bericht unterbrach, diesmal endgültig, Lippen auf meinem Hals, Fingerspitzen, die längst mit sehnsüchtigeren Zonen verabredet waren.
    Aber vor den Liebesrausch hatten die Götter ein Kondomdirndl gesetzt. Ein Gummikorsett, das er vergeblich nach einem Reißverschluss abtastete. Bis ich ihm gestand, dass es keinen Reißverschluss gab und dass ich Julia holen müsse, um alles wieder aufzutrennen. Wie es aussah, waren wir schon mitten in einer Bettkatastrophe.
    »Erst eingezäunt, dann eingenäht, interessant, Frau Zuhlau.« Er lachte. Aber mir war nicht nach Lachen zumute.
    »Hast du eigentlich Zahnkronen? Oder Zwerggeckos?«
    »Stehst du drauf? Dann besorg ich mir welche.«
    Er strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn, sah mich an. »Was ist?«
    Beschämt flüsterte ich ihm ins Ohr, dass es eine Art universales Gesetz gebe, das alle meine Liebesbegegnungen in einem Fiasko enden ließ. Und diesmal würde es besonders schlimm werden.
    »Warum?«
    »Weil ich noch nie so …
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