Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ehrensache

Titel: Ehrensache
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
Kopf. »Sie haben doch wohl schon mal ein männliches Glied gesehen,
Sir?«
Rebus öffnete die Tür. Was hatte er erwartet? Ein nachgemachtes Verlies, wo jemand nackt auf der
Folterbank lag? Eine ländliche Szene mit ein paar Hühnern und Schafen? Das männliche Glied.
Vielleicht hatte Mrs Croft eine Sammlung davon an einer Wand in ihrem Schlafzimmer ausgestellt. Und dieses Exemplar ist von `73. Hat sich heftig gewehrt, aber schließlich hab ich es
doch erwischt...
Aber nein, es war noch schlimmer. Viel schlimmer. Es war ein ganz gewöhnliches Schlafzimmer,
abgesehen davon, dass rote Birnen in den Lampen steckten. Und in dem ganz normalen Bett lag eine
ziemlich durchschnittlich aussehende Frau. Sie hatte einen Ellbogen auf das Kissen gestützt, ihr
Kinn ruhte auf der geballten Faust. Auf diesem Bett saß komplett angezogen jemand, den Rebus
erkannte, und starrte auf den Fußboden. Das Parlamentsmitglied für North und South Esk.
»Mein Gott«, sagte Rebus. Holmes steckte den Kopf in die Tür.
»Ich kann nicht vor einem beschissenen Publikum arbeiten!«, brüllte die Frau. Ihr Akzent, fiel
Rebus auf, war englisch. Holmes ignorierte sie.
»Das ist ja ein Zufall«, sagte er zu Gregor Jack MP.
»Meine Freundin und ich sind nämlich gerade in Ihren Wahlkreis gezogen.«
Der Abgeordnete blickte eher traurig als wütend auf.
»Das ist ein Missverständnis«, sagte er. »Ein furchtbares Missverständnis.«
»Sie sind wohl auf Stimmenfang unterwegs, was, Sir?«
Die Frau hatte angefangen zu lachen. Ihr Kopf ruhte immer noch auf ihrer Hand. Das rote Licht
schien den weit aufgerissenen Mund zu füllen. Einen Moment lang sah es so aus, als wollte Gregor
Jack einen Boxhieb in ihre Richtung schicken. Stattdessen versuchte er, mit der offenen Hand nach
ihr zu schlagen, erwischte sie aber nur am Arm, sodass ihr Kopf zurück auf das Kissen fiel. Sie
lachte immer noch, beinah mädchenhaft. Sie hob die Beine so hoch, dass die Bettdecke
herunterglitt. Ihre Hände trommelten mit hämischer Freude auf die Matratze. Jack war mittlerweile
aufgestanden und kratzte sich nervös an einem Finger.
»Mein Gott«, sagte Rebus noch einmal. »Kommen Sie, wir bringen Sie nach unten.«
Nicht der Farmer. Der Farmer könnte die Beherrschung verlieren. Dann also Lauderdale. Rebus
näherte sich ihm so demütig, wie er nur konnte.
»Sir, wir haben da ein kleines Problem.«
»Ich weiß. Das muss Watson gewesen ein. Der Kerl wollte wohl seine glorreiche Entdeckung
festgehalten haben. Er ist immer scharf auf Publicity, das sollten Sie doch wissen.« War da ein
spöttisches Grinsen in Lauderdales Blick? Mit seiner hageren Gestalt und dem blutleeren Gesicht
erinnerte er Rebus an ein Bild, das er mal gesehen hatte, von irgendwelchen Kalvinisten oder
Verfechtern der Kirchenspaltung... irgend so ein grimmiger Haufen. Bereit, jeden auf dem
Scheiterhaufen zu verbrennen, der ihnen gerade in die Quere kam. Rebus blieb auf Distanz und
schüttelte die ganze Zeit den Kopf.
»Ich versteh nicht so ganz...«
»Die verdammten Journalisten sind hier«, zischte Lauderdale. »Ganz schön fix, was? Selbst für
unsere Freunde von der Presse. Der verdammte Watson muss ihnen einen Tipp gegeben haben. Er ist
gerade bei ihnen draußen. Ich hab versucht, es ihm auszureden.«
Rebus ging zu einem Fenster und sah hinaus. Und tatsächlich standen dort drei oder vier Reporter
am Fuß der Treppe zur Haustür. Watson hatte seine Erklärung beendet und beantwortete gerade ein
paar Fragen. Dabei zog er sich bereits langsam die Treppe hinauf zurück.
»Oh, v...«, sagte Rebus und staunte über seine Fähigkeit, sich zusammenzureißen. »Das macht die
Sache nur noch schlimmer.«
»Macht was schlimmer?«
Also berichte Rebus ihm. Und wurde mit dem strahlendsten Lächeln belohnt, das er je über
Lauderdales Gesicht hatte huschen sehen.
»Tss, tss, wer war denn da ein unanständiger kleiner Junge? Aber ich seh immer noch nicht, wo das
Problem liegt.«
Rebus zuckte die Schultern. »Nun ja, Sir, ich meine nur, das bringt doch niemandem was.«
Draußen fuhren die Minibusse vor. Zwei, um die Frauen zur Wache zu bringen, zwei für die Männer.
Den Männern würde man ein paar Fragen stellen, Name und Adresse aufnehmen, und sie dann
entlassen. Die Frauen... nun, das war eine ganz andere Sache. Es würde Anklage erhoben werden.
Rebus' Kollegin Gill Templer würde das als weiteres Indiz für den Phallozentrismus in der
Gesellschaft bezeichnen, oder so was in der Art. Sie war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher