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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition)
Autoren: Katrin Seddig
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Lisa Barts Seele auf dem Zettel mit Geld aus einem ihm unbekannten Sparschwein zurückgekauft hat, ist Bart glücklich, wie er es ohne Seele nicht hätte sein können, und die Folge endet.
    «Ein Zettel ist doch keine Seele, einen Zettel kann man einfach verbrennen», sagt Martin in seiner glücklichen Kindlichkeit, die Ava und Danilo manchmal ein wenig beschränkt vorkommt. Sie hatten vor seiner Einschulung im August Angst gehabt, wie auch als sie ihn in den Kindergarten gegeben hatten. Sie hatten Angst gehabt, dass er zurückbleiben könnte, dass er geärgert werden und keine Freunde finden würde. Es ist anders gekommen. Sie mögen ihn, so wie Ava und Danilo ihn mögen, wie eigentlich jeder, der ihn kennt, ihn mögen muss, weil er ein so großes und freundliches Herz hat. Seine Güte ist keine Schwäche, mussten sie feststellen, seine Güte zieht die anderen Kinder an, sie kümmern sich um ihn, sie laden ihn zu ihrem Geburtstag ein, und sie wollen seine Freundlichkeit um sich haben. Er ist beschränkt in seiner Fähigkeit, um die Ecke zu denken und das Böse zu filtern, aber das Böse scheint ihn zu meiden wie der Teufel das Weihwasser.
    «Ein Zettel ist keine Seele», antwortet sie ihm. «Eine Seele ist eigentlich auch nur so ein Begriff, und man wird sie gar nicht so schnell los, wie das immer in den Märchen erzählt wird.»
    «Seele ist doch kitschig», sagt Merve und steht auf und schaltet von selbst den Fernseher aus.
    «Was machst du?», jammert Martin.
    «Ausschalten», sagt Merve. «Du musst ins Bett, du Baby.»
    «Du auch», sagt Martin und steht auf, wobei ihm wieder Teile seiner angekauten Pizzaränder auf die Erde fallen.
    «Mann», sagt Ava, «pass doch mal auf mit der Pizza», aber sie bückt sich schneller, als es Martin in seiner Schwerfälligkeit möglich ist, und sammelt die klebrigen Stücke auf.
    Die Kinder putzen sich im Bad die Zähne, Ava sieht ihnen vom Flur aus zu. Sie riecht den Minzgeschmack, und sie betrachtet sie, wie sie vor dem Spiegel stehen und sich gegenseitig vor dem Waschbecken, das dringend geputzt werden muss, zur Seite drängeln. Martin trägt einen kurzen Schlafanzug. Seine stämmigen, kurzen Beine passen weder zu Danilos dürrer Länge noch zu ihren eigenen schlanken Beinen. Martins Beine kommen von woandersher, aus einer fernen, unbekannten Linie ihrer Familien, in der ein Vorverwandter über einen festen, blassen Körper von gedrungener Ruhe verfügt haben musste. Sie stehen wie im Fliesenboden verankert, und es gelingt der hüpfenden, in allem sehr wankelmütigen und experimentierfreudigen Merve nicht, ihn vom Waschbecken zu verdrängen.
    Als die Kinder im Bett liegen, setzt sie sich selbst auf das Sofa zwischen die Pizzakrümel und zögert, den Fernseher anzustellen. Danilo hat eine SMS geschickt: «Irrsinnige Hitze, wir fahren gleich ans Meer. Grüße an die Kleinen, Kuss, Danni.» Die SMS verwirrt sie, und sie liest sie immer wieder auf ihrem Handy, als könne sie sie nicht glauben. Danilo schickt ihr keine Küsse mehr, lange schon nicht mehr, und er nennt sich selbst auch nicht mehr Danni, wie früher, als sie beide füreinander noch Spitznamen, Kosenamen benötigten, um ihre Intimität voreinander zu bekunden und eine Weichheit in ihre Worte zu fügen. Wo, in welcher Welt, ist Danilo gelandet, dass er, von dort aus, von der Entfernung aus, glaubt, ihr Küsse schicken zu können? Der Kuss am Flughafen fällt ihr ein, ihre gespitzten Lippen, die Fremdheit der Geste, die Bitte um Vergebung, die darin lag, aber auch die Heuchelei und die Lüge. Küsse werden nicht gegeben, weil einer wohin geht und man verheiratet ist.
    Sie geht ihre SMSen durch, geht ihre Nummern durch. Sie schickt Gedanken an jede einzelne ihrer Verbindungen. Sie bleibt bei Konstantin hängen. Sie ruft ihn an, aus Langeweile erst, und dann weil er der Einzige ist, bei dem ihr Herz sich ein wenig aufregt und Gefahr wittert und etwas Lebendiges in sie eindringt.
    «Ava», sagt Konstantins Stimme. «Du rufst mich an?»
    «Ja. Ich weiß gar nicht, warum.»
    Schweigen.
    «Komm doch her», sagt Konstantin schließlich.
    «Nein», sagt sie schnell, «nein, ich komme nicht. Ich kann auch nicht, wegen der Kinder, aber ich komme sowieso auch nicht.»
    «Warum hast du angerufen?»
    «Ich saß hier rum, und ich habe dich eben angerufen. Ich weiß es wirklich nicht.»
    «Für mich ist das eigentlich keine so große Freude, wie du denkst. Sicher, es ist schön, dich zu hören, und ich freue mich auch, dass du an
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