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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Autoren: Edzard Reuter
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heutigen EADS) zusammenzuführen, um damit die Chance zu bekommen, sich gemeinsam gegen den bis dahin übermächtigen amerikanischen Wettbewerb behaupten zu können. Untrennbar verbunden mit diesen Industriezweigen waren gewisse durch höchste Innovationsfähigkeit gekennzeichnete Bereiche der Rüstungsindustrie (nicht zuletzt auf den Gebieten der elektronischen und digitalisierten Steuerung). Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels war eine Fusion der beteiligten Unternehmen, freilich verbunden mit der klaren strategischen Absicht, den jeweiligen unmittelbaren staatlichen Einfluss auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen Schritt für Schritt abzubauen. Zum Schluss sollte auf diese Weise eine privatwirtschaftliche Lösung zustande kommen, als Musterbeispiel dafür, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit auf wichtigen Gebieten nur durch ein grenzübergreifendes europäisches Zusammenwirken erreicht werden konnte.
    Diese Grundgedanken, die wir gemeinsam mit unserem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Bankier Alfred Herrhausen, und dem französischen Unternehmer Jean-Luc Lagardère entwickelt hatten, konnte ich Anfang der 90er Jahre unter vier Augen dem französischen Präsidenten vorgetragen. Ich stieß damit auf wenn auch höfliche, so doch sofort erkennbare Ablehnung – und zwar deswegen, weil Mitterrand nicht die geringste Absicht hatte, als Preis für ein sich vereinigendes Europa etwa den Verzicht auf das traditionelle französische Privileg in Kauf zu nehmen, das wirtschaftliche Geschehen staatlich zu steuern. Trotz aller gelegentlichen europapolitischen Bekenntnisse war und blieb er bis zum Schluss nicht nur ein traditioneller französischer Etatist, sondern auch ein durch sein ganzes politisches Leben zutiefst geprägter Machiavellist.
    Jacques Delors hingegen hat niemals Zweifel an seiner Überzeugung gelassen, dass ein vereintes Europa ernsthaft nur dann zustande kommen kann, wenn dessen wirtschaftliche Entwicklung auf marktwirtschaftlicher Grundlage stattfindet – allerdings im richtig verstandenen Sinn: nämlich nicht als zügelloser Kapitalismus, sondern durchaus auf der Grundlage politisch vorgegebener Rahmenbedingungen. Genauso klar war er sich freilich auch, dass es eine Bedingung gab, die erfüllt sein musste, um das europäische Projekt voranzubringen: Es musste durch das glaubwürdige Verantwortungsbewusstsein besonderer Persönlichkeiten getragen sein. Visionen: Ja – doch Utopien: Sie waren Delors fremd.
    Eine solche Utopie verbirgt sich, wie ich fürchte, hinter einem Vorschlag, den Ulrich Beck vor kurzem vorgelegt hat (und der von vielen klugen Zeitgenossen unterstützt wird). Es geht darum, europaweit eine Initiative ins Leben zu rufen, mit der nicht vornehmlich die wohlbestallten Bürgerinnen und Bürger, sondern in erster Linie die einfachen Menschen auf die einzigartigen Zukunftschancen der europäischen Vereinigung angesprochen und von der Dringlichkeit überzeugt werden sollen, sie weit entschlossener als bisher in die Tat umzusetzen. Verständlich ist ein solcher Vorschlag schon deswegen, weil er vermutlich auf einer gewissen Verzweiflung beruht – der Verzweiflung über das so offensichtliche Fehlen von politischen Führungspersönlichkeiten, denen man abnehmen könnte, dass sie sich nicht aus reinem Eigeninteresse, sondern aus glaubwürdigem Verantwortungsbewusstsein für das Projekt und für dessen zwangsläufig mit Opfern verbundene Realisierung einsetzen. Trotzdem handelt es sich eher um einen liebenswerten Versuch, der die Fähigkeit und den Mut zur politischen Führung nicht ersetzen kann.
    Zu diesem Mut wird unverzichtbar auch der Entschluss zählen, die Absicht einer entschlossenen Realisierung der politischen Vereinigung dem Wahlvolk in allen beteiligten Ländern in Form von Referenden zur Entscheidung vorzulegen. Denn dass die zuletzt allein durch die Staats- und Regierungschefs betriebene europäische Entwicklung – einschließlich mancher Maßnahmen zur Festigung des Systems einer gemeinsamen Währung – unter dem leidet, was sowohl Jürgen Habermas als auch Hans Magnus Enzensberger als »Demokratiedefizit« bezeichnet haben: das dürfte unbestreitbar sein.
    Habermas (»Zur Verfassung Europas«) formuliert das so: »In (den) Vorstellungen eines ›Exekutivföderalismus‹ (…) spiegelt sich die Scheu der politischen Eliten, das (…) hinter verschlossenen Türen betriebene europäische Projekt auf den hemdsärmeligen Modus eines lärmend argumentierenden
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