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Echte Morde

Echte Morde

Titel: Echte Morde
Autoren: Charlaine Harris
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Motelzimmer erreicht.
    „Phillip, wenn ich dich nicht gehabt hätte, wenn ich mich nicht an dir hätte festhalten können, wäre ich durchgedreht!", sagte ich. „Du warst so mutig. Ich weiß, tief in dir drin hattest du Angst, genau wie ich, aber du warst tapfer wie ein Löwe. Du bist nicht zusammengebrochen."
    „Ich habe mir die ganze Zeit überlegt, wie ich Reißaus nehmen kann", verkündete er ernsthaft. „Ich habe nur auf die passende Gelegenheit gewartet." Er klang fast wieder wie der alte Phillip. Der nächste Satz kam allerdings wesentlich unsicherer.
    „Roe? Hätten die uns wirklich getötet?"
    Wie sollte ich diese Frage beantworten? Ich warf einen fragenden Blick zu Robin, der hilflos die Achseln zuckte. „Tut mir leid, da musst du allein durch", sollte das heißen. Warum wandte ich mich an Robin, wenn ich wissen wollte, was ich zu meinem kleinen Bruder sagen sollte?
    „Ja", sagte ich, nachdem ich tief Luft geholt hatte. „Das hätten sie, es waren schlechte Menschen. Sie waren wie verfaulte Äpfel, denen man von außen nichts ansieht, aber innen drin steckten sie voller Würmer."
    „Aber jetzt sind sie im Gefängnis? Jetzt sind sie eingesperrt?"
    „Worauf du Gift nehmen kannst!" Ich dachte an Juristen, ich dachte an Kautionen und zitterte. Doch sicher nicht in so einem Fall? „Sie können dir nie wieder etwas tun. Sie werden nie wieder irgendwem etwas tun. Sie sind weit weg von hier und ganz fest eingesperrt, und gleich kommen deine Mama und dein Papa und bringen dich noch weiter fort von ihnen."
    „Wann sind sie denn hier?", fragte Phillip verzagt.
    „Bald, bald, sie fahren, so schnell sie können!", beruhigte ich ihn bestimmt zum fünfzigsten Mal. Gott sei Dank kam in diesem Moment mein Vater ins Zimmer, dicht gefolgt von Betty Jo, die nur mühsam die Beherrschung wahrte.
    „Mama!" Phillip ließ all seine mutig zur Schau gestellte, hart erkämpfte Fassung sausen und verwandelte sich in ein Häuflein Elend. Betty Joe riss ihn aus dem Bett und bettete ihn in ihre Arme, drückte ihn ebenso fest an sich, wie er sich an sie klammerte. „Wo kann ich mit ihm hin?", wollte sie von der Krankenschwester wissen, die mit ihnen gekommen war. Die Schwester erwähnte ein unbenutztes Aufwachzimmer zwei Türen weiter, und Betty Jo entschwand mit ihrer kostbaren Last.
    Ich war so froh, das Kind mit Betty Jo verschwinden zu sehen, ich hätte heulen können. Es gab keinen Ersatz für die Mutter - auf jeden Fall war ich kein Ersatz für eine Mutter. Wenn ich je daran gezweifelt hatte, nach den vergangenen Stunden tat ich es nicht mehr.
    Mein Vater beugte sich über mein Bett und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich höre, du hast ihm das Leben gerettet", sagte er, und die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Ich hatte meinen Vater noch nie weinen sehen. „Ich bin so dankbar, dass ihr in Sicherheit seid, ich habe die ganze Autofahrt über gebetet.
    In einer Nacht hätte ich euch beide verlieren können!" Er sank in den Besucherstuhl, den Robin stumm geräumt hatte. Robin selbst trat zurück in die Schatten, nur das tiefrote Haar glitzerte noch im Dämmerlicht meines Zimmers. Ich würde nie vergessen, wie er ausgesehen hatte, da auf der Treppe, mit einem Gewehr in der Hand.
    Ich war so entkräftet, zu zerschlagen, um die starken Gefühle meines Vaters zu würdigen und entsprechend zu reagieren. Es war so spät, so unendlich spät. Beinahe hatte mich ein für die Vergabe von Krediten zuständiger Bankangestellter mit einem grünen Seidenschal erdrosselt. Eine Bürokraft hatte mich mit einem Golfschläger angegriffen. Ich hatte um mich und Phillip so große Angst gehabt, dass es mich um ein Haar den Verstand gekostet hätte. Ich hatte ins Antlitz des Bösen geschaut. „Starke Worte", sagte ich zu mir wie durch einen Nebel. Starke Worte.
    Aber wahr. Das Antlitz des Bösen.
    Endlich trocknete sich mein Vater die Wangen, versprach, mich bald zu besuchen und teilte mir mit, sie würden Phillip noch in derselben Nacht nach Hause bringen. „Wir müssen uns um eine Therapie für ihn kümmern", sagte er angespannt. „Ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann."
    „Bis dann", flüsterte ich.
    „Danke", sagte er. „Wenn du Hilfe brauchst, du weißt, wo wir sind." Aber sie hatten es so eilig, Phillip wegzubringen, und sein Angebot klang eher verantwortungsvoll als wirklich von Herzen kommend. Ich war erwachsen, nicht? Ich konnte selbst auf mich aufpassen. Oder meine Mutter würde sich um mich kümmern.
    Ich
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