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Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
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mit höchstem Genuss einen weiten Bogen.
    In der DDR gab es natürlich an den Schulen keinen Religionsunterricht, wir hatten dafür den Staatsbürgerkundeunterricht. Um Kindern das Wort Gottes näher zu bringen, erfand die Kirche die Christenlehre. In den Nachmittagsstunden trafen sich Kinder in den Räumen der Kirchengemeinde und eine Katechetin, also eine Art Religionslehrerin, erzählte Geschichten aus der Bibel, sang mit uns oder es wurde gebastelt. Von der ersten Stunde Christenlehre an war ich verliebt in meine Katechetin.
    Wie war das bei dir? Gab es gleich ab 1. Klasse Religionsunterricht? Und war es Pflicht, da mitzumachen?
     
    Daniel: Klar, Religionsunterricht gab es ab der ersten Klasse. Getrennt in katholische und evangelische Religion. Da kam man dann einfach mit den evangelischen Schülern der Parallelklasse zusammen zum Unterricht. Pflicht war der Religionsunterricht für alle Kinder, die getauft waren. Das waren damals fast alle, außer ein paar Türken und ein paar Zeugen Jehovas. Die hatten in der Zeit frei, da es Ethikunterricht als Ersatz für den Religionsunterricht erst ab der 7. Klasse gab.
    Ich war übrigens der Einzige, der freiwillig im evangelischen Religionsunterricht ging, weil meine Familie eine evangelische Freikirche besuchte. Ich hätte also auch nicht gehen müssen.
    Aber: Was lernte man denn als Erstklässler im Staatsbürgerkundeunterricht? Bei uns gab es auch Gemeinschaftskunde, da lernt man, wie der Staat aufgebaut ist – aber noch nicht in der Grundschule, sondern natürlich erst in der weiterführenden Schule.

    Christian: In den Klassen eins bis vier nannte sich dieser Unterricht Heimatkunde. Und es lag ganz im Ermessen der jeweiligen Schule und vielleicht auch des jeweiligen Lehrers, wie politisch es da zuging. Damals war die schlimmste Zeit des Vietnamkrieges. Unzählige Male hörten wir von den abscheulichen Verbrechen des kapitalistischen Aggressors USA. Wir sangen Lieder von unserer bunten sozialistischen Heimat. Voller Inbrunst sang ich mit, weil man uns einbläute, dass unser Gesang den Genossen in Vietnam eine große Hilfe ist. Wie die eigene Befreiung kam es uns vor, als wir eines Morgens in die Schule kamen und wir alle zum Fahnenappell auf dem Schulhof antreten mussten. Mit Tränen in den Augen erzählte uns unsere Lehrerin: „Dank der internationalen Solidarität hat das heldenhafte Volk von Vietnam den Verbrecher USA bezwungen.“
     
    Daniel: Fahnenappell? Bei uns musste man bestenfalls aufstehen, wenn der Lehrer das Klassenzimmer betrat. Im evangelischen Gymnasium hatten sie noch Morgenandacht vor dem eigentlichen Unterricht. Aber auch hier war die Teilnahme freiwillig.
     
    Christian: Sag bloß, du hast nie zu einem Fahnenappell in deiner Schule antreten dürfen? Ich glaube, so einen Fahnenappell gab es wöchentlich. Alle Klassen hatten in einem großen U mit ihren Klassenleitern in Reih und Glied stillzustehen. Dort informierte der Schuldirektor persönlich über neue sozialistische Errungenschaften oder verteilte an einzelne Schüler Tadel oder Verweise. Eine Zeitlang mussten wir zu Beginn einer jeden Schulstunde neben unserem Sitzplatz still stehen und der Pionierratsvorsitzende rief uns dann zu: „Für Frieden und Sozialismus seid bereit“ - wir als Klasse antworteten: „Immer bereit!“
    Was hat man dir im Westen in der Schule eigentlich über die DDR erzählt?
     
    Daniel: Na, wenn ich mich da noch erinnern könnte. Ich habe doch nie so gut aufgepasst in der Schule. Mit Weltpolitik haben wir uns in der Grundschule, wie gesagt, noch nicht befasst. Wenn die Grundschullehrerinnen eine Meinung zur DDR hatten, dann haben sie uns diese verschwiegen. Und gesungen wurde bei uns nur „My Bonnie Is Over The Ocean“.
     
    Christian: Einen anderen großen Sieg haben wir sozialistischen Pioniere kurz vor den internationalen Weltfestspielen 1973 in Berlin gefeiert. Wieder war die USA unser Feind. Sie hatten die schwarze Kommunistin Angela Davis eingesperrt. Dabei sollte sie zu den Festspielen nach Berlin kommen. Du hättest mal sehen sollen, wie unser gesamtes Schulhaus mit Wandzeitungen und Unterschriften zugepflastert war, um die Freiheit der Heldin zu fordern.
     
    Daniel: Wir haben bei uns im Westen überhaupt nichts davon gehört, dass bei euch solche Weltfestspiele veranstaltet wurden. Je mehr wir darüber reden, wird mir klar, dass wir wirklich niemals in der Schule über die DDR und was dort vor sich ging gesprochen haben. Von verhafteten Kommunisten in
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