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Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
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sich jetzt. Die, die vorher schon einiges gewagt hatten, begannen sich zu organisieren. Es war eine spannende und zugleich gefährliche Zeit. Niemand wusste, wie der altersstarrsinnige Erich Honecker mit dieser völlig neuen Situation umgehen würde.
    Nicht einmal im immer hinterherhinkenden Mecklenburg ließen sich diese Vorgänge verheimlichen. An vielen Orten der DDR fanden sich Menschen, die genau formulierten, was sie fordern wollten, sie begannen, sich in Gruppen zu organisieren. Sehr oft waren Kirchen Orte, in denen sich diese Menschen trafen. Die Johanniskirche in Neubrandenburg war so ein Ort. Wenn wir uns abends zu den unterschiedlichsten Veranstaltungen zusammenfanden, wussten wir immer sofort, ob und wenn ja, wer im Publikum von der Firma »Horch und Guck« war. Hatte sich so ein Geselle unter das Publikum gemischt, liefen die wirklich brisanten Informationen immer erst nach Abschluss der Veranstaltung von einem zum anderen.
    Sehr genau erinnere ich mich noch an einen Abend. Lutz Rathenow besuchte uns und stellte uns sein Berlinbuch vor, das in der DDR nicht erscheinen durfte. Gerade, weil es nicht erscheinen durfte, war es in aller Munde und Lutz Rathenow wurde immer bekannter. Dieser Mann hat mich damals sehr beeindruckt. Obwohl er wusste, dass er unter Aufsicht der Genossen der Staatssicherheit stand und auch unter dem Publikum IM's saßen, formulierte er seine Kritik an der Politik der DDR sehr deutlich. Es war zu jener Zeit, als die Verantwortlichen des Wohnungsbaus lieber kleine Satellitenstädte um die eigentlichen Städte herum bauten, als die herrlichen alten Häuser in den Innenstädten zu rekonstruieren.
     
    Daniel: Und davon sollte sein Buch handeln? Wie hat er es denn vorgestellt, wenn es nicht erschienen war? Hat er aus seinem Manuskript vorgelesen?

    Christian: Uns Hörern war egal, ob sein Buch erschien oder nicht. Wir himmelten diesen Schriftsteller an. Da war endlich mal einer, der genau das meisterhaft ausformulierte, was der Mann auf der Straße dachte und oft nicht wagte auszusprechen. Der Autor hat aus seinem Manuskript vorgelesen. Da solche Bücher, wenn sie doch mal erscheinen durften, nur als Bück-Dich-Ware zu haben war, hatten sowieso wenige Hörer die Hoffnung, dieses Buch jemals kaufen zu können. Es ging uns in erster Linie um das Hörerlebnis und die Sichtweise dieses Mannes.
    Rathenow war bissig, angriffslustig und er formulierte messerscharf und unbequem. Ich bewunderte ihn. Er sprach uns aus der Seele. Wenn er die Berliner Satellitenstädte ansprach, hatten wir den Datzeberg in Neubrandenburg, Lütten-Klein in Rostock oder den Großen Dreesch in Schwerin vor Augen und konnten ihm nur zustimmen. Als er dann die modernen Wohnsilos als „Bevölkerungsintensivhaltung" bezeichnete, stimmten wir ihm alle zu.
     
    Daniel: Heißt das, dass viele dieser Plattenbau-Siedlungen, die im Westen als „typisch-DDR" angesehen werden, erst in den 80er Jahren entstanden sind?
     
    Christian: Nein, bereits zu Beginn der 60er Jahre entstanden die ersten Plattenbauten. Aber in so großer Zahl, dass richtig große Siedlungen neben den eigentlichen Städten entstanden, dies war erst in den 80ern.
    Diese Stimmung des Zusammenhalts unter Gleichdenkenden war spätestens mit dem November 1989 verschwunden. Plötzlich sahen viele nur noch die D-Mark, die endlich erreichbaren Apfelsinen und spätestens im Januar 1990 waren die Kirchen wieder leer.
     
    Daniel: Das ist traurig.

23. Stasileute in meinem Wohnzimmer

    Christian: Vom Katharinenstift bis zu meiner Wohnung waren es knapp fünf Minuten Fußweg. Wenn ich mal wieder zehn oder noch mehr Tage durchgearbeitet hatte, freute ich mich um 19.30 Uhr einfach nur noch auf mein Bett. Einige Male geschah es jedoch, dass ich meine Haustür im Reihenhaus auf und wieder zuschloss, nach oben in meine Wohnung ging, ein Sicherheitsschloss öffnete, in meiner Küche stand, meine Tasche fallen ließ, in mein Wohnzimmer weiterging und dort zwei Herren saßen.

    Daniel: Wie sind die denn hineingekommen? Ohne das Sicherheitsschloss zu demolieren.
     
    Christian: Die Stasi konnte es halt, ich habe nie die Kaltschnäuzigkeit besessen zu fragen, wie sie das geschafft haben. Als DDR-Bürger warst du aber auch so erzogen, vieles nicht zu hinterfragen. Viel spannender ist für mich bis heute die Frage, woher die Herrschaften meinen sich ständig ändernden Dienstplan kannten.
    Wieder einmal wollten sich diese Mitarbeiter mit mir unterhalten. Wieder einmal wollten sie
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