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Éanna - Ein neuer Anfang

Éanna - Ein neuer Anfang

Titel: Éanna - Ein neuer Anfang
Autoren: Leonie Britt Harper
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recht war.
    Sie hatte noch nicht viel Zeit mit Tom verbracht, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass er ein Großmaul und Aufschneider zu sein schien. Sie wollte ihm nicht Unrecht tun und hütete sich deshalb, ihre Gedanken laut auszusprechen. Aber manchmal brauchte man einem Menschen eben nur ins Gesicht zu blicken und darauf zu achten, wie dieser den Blick erwiderte, um zu wissen, woran man war. Éanna hoffte, dass Brendan sich nicht von ihm zu irgendwelchen Dummheiten verleiten ließ.
    Im zweiten Stock angekommen, schloss der Wirt am Ende des engen Korridors ein Zimmer auf und öffnete die Tür. »Sauber, trocken und ruhig!«, verkündete er mit einem beifälligen Nicken, drückte Éanna den Schlüssel in die Hand und machte sich mit den Worten »Das Abendessen gibt es von sieben bis acht. Ausnahmen müssen vorher angekündigt werden!« wieder auf den Weg zurück in den Schankraum.
    »Nun ja, es wird wohl seinen Zweck erfüllen!«, bemerkte Emily trocken, als sie das winzige Zimmer, das man eher als Kammer bezeichnen konnte, betreten hatte. Rechts und links an den Wänden stand je ein Stockbett und füllte fast den gesamten Raum aus. Der Gang dazwischen war kaum so breit, dass zwei Personen nebeneinander Platz hatten. Zum Fenster hin, das die wenig reizvolle Aussicht auf einen dunklen Hinterhof und eine Backsteinwand bot, gab es einen weiteren kleinen Raum, wo zwei dreibeinige Holzschemel und ein einfacher Tisch standen. Eine Reihe Haken zum Aufhängen von Kleidern war auf der einen Seite in die Wand geschlagen worden, gegenüber hatte man drei grob zugeschnittene Holzbretter untereinander angebracht, die als Regal dienten. Auf einem etwas breiteren, abgerundeten Bord unter dem Fenster standen außerdem eine blecherne Waschschüssel und eine verbeulte Kanne, die noch mit Wasser aufgefüllt werden musste.
    »Wenigstens sieht das Bettzeug einigermaßen sauber aus, auch wenn es schon recht verschlissen ist«, stellte Éanna fest und prüfte, ob die Strohsäcke, die auf den Betten lagen, noch gut gefüllt oder schon von den unzähligen Logiergästen vor ihnen platt gelegen waren. Das Urteil fiel zu ihrer Zufriedenheit aus.
    »Das ist alles in allem recht anständig«, stimmte Brendan ihr zu. »Besser als in den grässlich schmalen Schiffskojen haben wir es hier allemal. Wenn jetzt noch das Essen hält, was uns der Wirt versprochen hat, gibt es keinen Grund zu klagen. Alles andere wird sich schon in den nächsten Tagen finden.« Ein warmes Gefühl tiefer Zuneigung erfasste Éanna bei diesen Worten und sie küsste ihn spontan.
    Brendan erwiderte ihre Umarmung, ehe er sie ein Stückchen von sich schob und ihr die Locken aus dem Gesicht strich. »Glücklich?«, fragte er leise.
    Sie nickte. »Sehr sogar«, erwiderte sie und sie meinte es so.
    Es dauerte nicht lange, bis sie ihre wenigen Habseligkeiten verstaut hatten. Danach brachen Éanna, Brendan und Emily auf, um das nächste öffentliche Badehaus aufzusuchen. Auch wenn dieser Besuch ihr schmales Vermögen weiter schrumpfen lassen würde – die Ausgabe musste sein, darin waren sich die drei ohne lange Diskussion einig. Denn nach den vielen Wochen auf See, in denen es nie genug Wasser zum Waschen gegeben hatte, sehnten sie sich nun umso mehr danach, sich gründlich von Kopf bis Fuß einseifen und ihre Kleidung wechseln zu können. Zum Glück hatte jeder von ihnen seinen Kleidersack beim Untergang der Metoka retten können, so wenig auch in ihm stecken mochte.
    Connys Frau Dorothea, die ihrem Mann an Leibesfülle und Redseligkeit in nichts nachstand, wusste Rat: »Gleich oben an der Ecke der Chatham Street gibt es ein Badehaus«, erklärte sie ihnen. »Wenn ihr aus der Tür kommt, haltet euch links und geht die Straße hoch. Dann könnt ihr es gar nicht verfehlen. Die Besitzer sind ordentliche Leute. Da wird das Wasser nicht zwei- oder gar dreimal benutzt wie drüben in Five Points und anderswo. Ein Bad und ein Stück Seife kosten drei Cent pro Kopf. Und ich sehe, ihr habt beides bitter nötig!« Sie zwinkerte ihnen freundlich zu, um ihren Worten die Spitze zu nehmen. »Macht euch nichts draus, das geht den meisten so, die gerade vom Schiff kommen. Nur finden leider nicht alle gleich den Weg in ein Badehaus wie ihr.«
    Keine zehn Minuten später hatten sie das Haus gefunden, das Connys Frau beschrieben hatte. Die beiden Mädchen teilten sich eine Badekammer, in der zwei große hölzerne Zuber mit heißem Wasser, zwei Stücke Seife, Bürsten, Handtücher und mehrere
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