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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Toleranz zu verteidigen? Ein Bosnien, worin jeder Bürger unbeachtet seiner Religion die gleichen Rechte haben sollte. Ist Ihnen bekannt, dass wir Muslime es waren, die die europäischen Werte aufrechterhielten, dass bei uns Verstösse gegen die Menschlichkeit und gegen das Kriegsrecht geahndet wurden, während die christlichen Soldaten der Serben und Kroaten einen Freipass hatten, der sie bis heute vor der Verfolgung durch die Justiz schützt? Und vergessen Sie nicht, das alles geschah unter den Augen der christlichen europäischen Nationen!»
    Mit diesen Worten war sie plötzlich laut und leidenschaftlich geworden. Es riss mich aus meiner Lethargie. «Ich weiss, ich weiss. Ich hab mich ebenfalls geärgert über diese Hinterwäldler. Aber machen Sie sich keine Sorgen, das Stimmvolk wird die Initiative an der Urne verwerfen. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer.»
    Sie lächelte säuerlich.
    «Sehen Sie, vor hundert Jahren waren es die Zugezogenen aus dem Entlebuch und anderen ärmlichen Gegenden, die den Unmut der Alteingesessenen erregten. Später die Italiener, die Spanier und Portugiesen. Aber die Bürger von Emmenbrücke sind im Grunde tolerante, offene Menschen, sie haben nicht vergessen, wie es ihren Eltern und Grosseltern ergangen war, als sie hier eine neue Existenz aufzubauen begannen.»
    Sie sah mich mit stechendem Blick an, so lange, bis ich den meinen abwandte.
    «Ich musste erst wieder lernen, den Menschen in die Augen zu sehen …», sagte sie entschuldigend.
    Plötzlich ging ein Ruck durch sie. «Verzeihen Sie, ich bin eine fürchterliche Gastgeberin.» Sie stand auf.
    «Möchten Sie noch etwas Tee? Ach was, Sie haben bestimmt genug davon. Darf ich Ihnen einen Kaffee machen?»
    Ich hätte gegenwärtig die Wirkung von Alkohol der von Koffein vorgezogen.
    «Ach, Sie trinken bestimmt gern Bier», sagte sie, als könne sie Gedanken lesen. «Damit kann ich leider nicht dienen. Aber ich hätte noch etwas Pflaumenschnaps, im Denner gekauft, nun ja, immerhin …»
    Sie stand auf und begann, mit einer Metallkanne zu hantieren.
    «Mögen Sie ihn türkisch?»
    Nachdem die Kanne auf der Kochplatte stand, nahm sie den Aschenbecher, leerte den Inhalt in ein Plastiksäckchen, das sie mit einem Knoten luftdicht schloss und in den Abfalleimer warf.
    Ich schlürfte den köstlichen Kaffee und behielt den Pflaumenschnaps eine Weile zwischen Zungenspitze und Gaumen.
    «Wussten Sie eigentlich, dass gegen Vukovi ć in Den Haag Anklage erhoben worden ist?»
    Frau Spahi ć , die sich wieder gesetzt hatte, machte grosse Augen.
    «Mit ihm zusammen stehen sieben weitere Männer, die in Fo č a gewütet hatten, unter Anklage.»
    Sie zeigte sich interessiert. Ich erkundigte mich, ob sie einen Internetanschluss habe. Da sie verneinte, versprach ich, das Dokument auszudrucken und es ihr in den Briefkasten zu legen.
    Sie begleitete mich zur Tür. «Ach bitte, falls Sie herausfinden sollten, wer den vierten Brief geschrieben hat, so lassen Sies mich wissen.»
    Im Treppenhaus begegnete ich einem vierschrötigen Kerl, der mich verschlagen anblickte. Ich musste meine ganze Beherrschung aufbringen, um meine Gedanken im Zaum zu halten und seinen Gruss zu erwidern.
    Es dauerte eine Weile, bis mir geöffnet wurde.
    «Ach Sie, Sie kommen gerade recht. Treten Sie ein.»
    Ich folgte ihr ins Wohnzimmer. Überall standen Bananenschachteln herum, die Wohnwand war geräumt, die Bilder abgehängt und in Leintücher gewickelt.
    «Würden Sie schnell halten, während ich die Schrauben löse?»
    Ich stemmte meine Arme unter das schwere Schrankelement, das in die Wohnwand eingelassen war. Nachdem sie die Schrauben gelockert hatte, half sie mir, das Möbel auf den Boden zu stellen.
    «Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dieses hier auch noch gleich …»
    Wir verfuhren also ebenso mit einem weiteren Schrankelement, worin wohl einstmals Spirituosen gelagert waren.
    «Herzlichen Dank, den Rest schaff ich allein.»
    «Ziehen Sie aus?»
    «Genau. Ich hab das Haus verkauft. Es ist zu gross für mich. Zudem benötige ich das Geld, Sie verstehen.»
    Ob sie mir ein Bier offerieren dürfe, die Kaffeemaschine sei bereits eingepackt.
    Nachdem sie mir das Bier gereicht hatte, setzte sie sich mit einem Plastikbecher in der Hand, worin eine giftgelbe Flüssigkeit blubberte, in den schwarzen Armsessel.
    «Nehmen Sie doch bitte Platz.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Ich steh lieber …»
    «Wie Sie wollen», sie lächelte gekünstelt. «Nun, haben Sie bereits etwas
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