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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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ertappt vor. Ich versuchte, mit mehrmaligem Husten meine Luftröhre frei zu bekommen. Schliesslich sagte ich mit schwacher Stimme: «Ja, Bosnien ist das Land des Hasses …»
    Ich hatte sie dabei nicht anzuschauen gewagt und sah nun von meiner Tasse auf. Es war keine Furcht in ihrem Ausdruck, auch kein Unwille, nur ein grosses Fragezeichen.
    «Was wollen Sie von mir?»
    Ich wünschte, sie würde meinem Blick Glauben schenken: «Ich möchte zuerst sagen, was ich nicht will.» Ich räusperte mich umständlich, um wieder mit klarer Stimme zu sprechen. «Ich bin nicht hier, um Ihnen Ärger zu bereiten. Ich möchte Sie nicht verletzen oder bedrängen. Sie müssen mir glauben, ich steh auf Ihrer Seite – ich hab gar keine andere Wahl …»
    Hatte sich ein spöttischer Zug um ihren Mund gebildet?
    «Ich will von Ihnen die Wahrheit erfahren. Ich beschäftige mich schon so lang mit diesem Fall, es würde mir keine Ruhe lassen, wenn ich nicht … Aber ich hab volles Verständnis, wenn … Wenn Sie darüber nicht sprechen möchten, dann werd ich jetzt gehen, und Sie werden nie wieder von mir hören.»
    Sie betrachtete mich regungslos, mit leicht erhobenem Kopf. Nach einigen endlosen Sekunden sagte sie: «Versuchen Sie sich konkreter auszudrücken.»
    Es lag eine freundliche Beherrschung in ihrer Stimme. Das machte mir Mut.
    «Warum haben Sie Radomir Vukovi ć umgebracht?»
    Sie musterte mich eine Weile und sagte dann teilnahmslos: «Ich hab ihn nicht umgebracht.»
    Ich wandte den Blick ab, trank und machte einen weiteren Anlauf: «Sie haben nichts zu befürchten, Frau Spahi ć , der Fall ist offiziell aufgeklärt und zu den Akten gelegt – ich hab keinerlei Interesse, daran etwas zu ändern.»
    «Ich wars trotzdem nicht», sagte sie beiläufig.
    «Aber Sie haben doch die Briefe geschrieben?»
    «Ich hab die Briefe geschrieben, das ist wahr. Aber ich hab nie vorgehabt, diesen Mann zu töten. Gewünscht hätte ichs wohl, das können Sie sich vorstellen. Aber schauen Sie mich an: Seh ich aus wie jemand, der zu einem Mord fähig ist?»
    «Aber die Tatsache, dass Vukovi ć genau wie in den Zitaten angekündigt ermordet wurde …»
    «Darüber hab auch ich mir den Kopf zerbrochen. Ich verstehe, wenn Sie mir das nicht abnehmen. Ich wollte ihn einschüchtern: Vukovi ć sollte wissen, die Vergangenheit wird man nicht so einfach los, nur weil man die Identität wechselt.»
    Ich dachte einen Augenblick nach. «Aber eines versteh ich nicht: Warum schreiben Sie einen weiteren Brief mit dem Hinweis, der Täter sei jemand anders als der Auftragsmörder?»
    Sie sah mich verständnislos an: «Von was für einem Brief sprechen Sie?»
    Ich entnahm meiner Jackentasche die Couverts und legte sie auf den Tisch. «Sie haben doch eben bestätigt, diese Briefe geschrieben zu haben.»
    Sie sah sie durch.
    «Jawohl, diese drei hab ich aufgesetzt und verschickt.» Sie runzelte die Stirn, während sie den letzten Brief studierte. «Diesen hier hingegen seh ich zum ersten Mal.»
    Ich kam zum Schluss, dass es gegen jedes Feingefühl verstiesse, noch länger in sie zu dringen. Ich schickte mich an, aufzustehen. «Bitte verzeihen Sie meine Aufdringlichkeit, Frau Spahi ć . Und dass ich Sie am Telefon belogen hab. So was macht mir keinen Spass, das versichere ich Ihnen. Es gehört aber leider zu diesem Job.»
    Sie nickte. «Sie sind Privatdetektiv.»
    «So was in der Art, ja. Ich wurde von Slavkovi ć , Sie wissen, angeheuert, und nach seinem Tod hat mich seine Frau mit der Aufklärung beauftragt.»
    Ich stand auf.
    «Wohin wollen Sie?»
    Ich erwiderte irritiert ihren Blick.
    «Sie wollten doch von mir die Wahrheit erfahren, nicht wahr? Setzen Sie sich wieder hin.»
    «Ich möchte Sie wirklich nicht noch länger belästigen, ich hab bereits …»
    «Setzen Sie sich. Sie sollen meine Geschichte erfahren. Dafür, dass Sie mich belogen und fähig zu einem Mord befunden haben.»
    Zögernd kam ich ihrer Aufforderung nach. Während sie mir Fencheltee nachgoss, beschlich mich das unheilvolle Gefühl, in der Falle zu sitzen.
    «Sie sind Raucher, bitte sehr.»
    Sie stellte einen zierlichen, sauberen Aschenbecher auf den Tisch.
    Was nun folgte, war schlimmer, als in einer Falle zu sitzen. Ich hätte ja jederzeit gehen können. Aber ich wusste je länger desto weniger, ob ich die Welt, in der ich bisher zu leben geglaubt hatte, je wieder vorfinden würde.
    Frau Spahi ć sprach ohne Hass, ohne Zorn, auch nicht mit erstickter Stimme. Leise und monoton, beinahe
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