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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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ausgestossen. Sie hielt inne und versuchte sich mit bewusstem Ein- und Ausatmen zu beruhigen. Als sie weitersprach, stellte ich fest, dass es ihr gelungen war.
    «Ich musste ihn also töten. Wie das zu geschehen hatte, erfuhr ich aus den Briefen. Ja, es war wichtig, ihn nicht einfach auf profane Art umzubringen. Er sollte nach alter osmanischer Manier hingerichtet werden: Man musste ihn also enthaupten, den abgeschlagenen Kopf zur Abschreckung auf einen Pfahl spiessen und danach die Leiche in die Drina – hier die Emme – werfen. Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich das bewerkstelligen sollte. Ihn zu enthaupten, das traute ich mir durchaus zu. Ich hatte als Kind bei ländlichen Verwandten gelernt, wie man den Hühnern mit dem Beil den Kopf abschlägt. Aber bei einem Menschen, der sich unter Todesängsten womöglich zur Wehr setzt, würde das wohl nicht so einfach sein. So beschloss ich, ihn mit Schlaftabletten zu betäuben, um dann in aller Ruhe das Weitere vorzunehmen. Ich zerrieb im Mörser eine Packung Benocten – ganze zehn Pillen – zu Pulver und mischte es unter sein Nachtessen, das ich ihm jeweils in einem Teller anrichtete. Er beabsichtigte, nach dem Essen noch auszugehen, sagte, er hätte eine Besprechung. Ich wusste schon, wohin er gehen wollte. Nach dem Essen legte er sich wie üblich für eine Viertelstunde hin. Ich war überzeugt, er würde nicht mehr aufwachen. Nachdem ich die Küche aufgeräumt hatte, ging ich nach ihm schauen. Er war weg. Ich steckte eine Säge und die Pistole, die er in seinem Schreibtisch verwahrte, in meine Handtasche und fuhr mit dem Auto zum Cabaret Paradise. Ich stellte den Wagen auf dem nahegelegenen Denner-Parkplatz ab. Sein Auto war auch da.
    Als ich um das Gebäude herumging, worin sich das Cabaret befindet, hörte ich leises Wimmern. Ich hielt darauf zu. Einige Meter neben dem Ausgang erkannte ich im Halbdunkeln einen Mann, der sich über eine regungslos am Boden liegende Gestalt beugte. Ich entsicherte die Pistole und ging näher. Da sah ich, dass es sich bei der am Boden liegenden Gestalt um Radomir handelte. Die Überdosis Schlaftabletten hatte ihre Wirkung getan. In dem Moment wandte sich der Unbekannte zu mir um. Er begann zu stammeln, er habe ihn nicht getötet. Anscheinend waren sie aneinander geraten. Er glaubte, Radomir sei tot, dabei sah ich, dass sich sein Brustkorb unmerklich hob und senkte. Ich fuhr ihn an, er solle den Mund halten. Er wimmerte weiter leise vor sich hin. Ich warf ihm die Säge zu und zwang ihn, Radomir den Kopf abzutrennen. Seine Angst, ich könnte ihn erschiessen, war offensichtlich grösser als sein Widerwille.
    Ich erspar Ihnen die Details. Nur soviel: Radomirs Körper zuckte, als ihm die Halsschlagader durchtrennt wurde.
    Danach befahl ich dem Mann, den abgeschnittenen Kopf auf einen spitz zulaufenden Zaunpfahl des benachbarten Grundstücks zu stecken. Zusammen gingen wir zu meinem Wagen. Ich stellte ihn möglichst nahe beim Cabaret ab. Wir wickelten die Leiche in eine Decke und trugen sie zum Auto, wo wir sie in den Kofferraum legten. Der Mann war nur noch ein Nervenbündel, weshalb ich selber fuhr. Ganz zuhinterst auf der Emmenweid lenkte ich den Wagen über eine Schotterstrasse und stellte ihn unterhalb des Schlackenhügels ab. Dort schoss ich aus kürzester Distanz die Kugeln in den Rumpf des Toten. Darauf musste mir der Mann helfen, die Leiche übers Geländer in die Emme zu werfen. Die Pistole warf ich gleich hinterher, liess den Mann stehen und fuhr nach Hause. Das wars.»
    «Können Sie mir den Mann beschreiben?»
    «Weiss nicht …»
    «Hatte er eine Glatze, klein und untersetzt, Bierbauch?»
    «Genau. Woher wissen Sie das?»
    «Nicht wichtig.»
    Ich liess mir das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen. Ich konnte nicht umhin, Frau Vukovi ć mit Schauder zu betrachten.
    «Demnach haben Sie den letzten Brief geschrieben, um mir den entscheidenden Hinweis zu geben?»
    «Richtig. Ich wollte doch, dass Sie die Verfasserin der Briefe ausfindig machen … Ich möchte die Frau gern kennenlernen.»
    Ich zögerte. «Vielleicht überleg ichs mir. Ich kann sie ja fragen, ob sie dazu bereit wäre …»
    Ich trank die Flasche aus und steckte mir eine Zigarette an. Ich beobachtete Frau Vukovi ć durch die bläulichen Schwaden.
    «Aber eines versteh ich nicht. Warum haben Sie nicht von Anfang an mit mir kooperiert? Es hätte doch alles viel einfacher gemacht.»
    «Was hätte ich Ihnen denn sagen sollen? Dass ich die Mörderin meines Mannes
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