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Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort

Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort

Titel: Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort
Autoren: Jostein Gaarder
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wenn etwas traurig ist. Und wir vergießen auch gern über etwas Schönes eine Träne. Wenn etwas witzig oder häßlich ist, lachen wir. Vielleicht werden wir traurig, wenn etwas schön ist, weil wir wissen, daß es nicht von Dauer ist. Und wir lachen über etwas Häßliches, weil wir wissen, daß es sich nur aufspielt.
    Clowns sind witzig, weil sie so schrecklich häßlich sind. Wenn sie vor dem Schminkspiegel ihre Clownsmasken ablegen, werden sie sehr schön. Deshalb sind Clowns so traurig und unglücklich, wenn sie in ihre Zirkuswagen gehen und die Tür hinter sich ins Schloß knallen.
     
    Sie war wieder eingenickt und wurde erst wach, als Papa sie holen kam.
    »Bescherung!« verkündete er.
    Er schob seine Arme unter Cecilie und hob sie mit ihrer roten Decke zusammen hoch. Das Kissen ließ er liegen, ihre blonden Haare fielen herab, als er Cecilie anhob. Die Haare waren inzwischen wieder ziemlich lang.
    Unten an der Treppe standen Lasse und Großvater.
    »Du siehst aus wie ein Engel«, erklärte Großvater. »Die Decke ist wie eine rosige Wolke.«
    »Wie ein aus allen Wolken gefallener Engel!« rief Lasse.
    Auf halber Treppe wandte Cecilie den Kopf und erwiderte ihren Blick.
    »Was für ein Unsinn!« protestierte sie. »Engel sitzen fest auf den Wolken. Die fallen nicht runter!«
    Großvater schmunzelte, er blies als Antwort eine dicke Rauchwolke ins Zimmer.
    Papa legte Cecilie auf das rote Sofa. Sie hatten es mit vielen Kissen erhöht, damit sie den Weihnachtsbaum sehen konnte. Sie blickte auf.
    »Das ist aber nicht der Stern vom letzten Jahr!«
    Mama kam herbeigestürzt - es schien ihr leid zu tun, daß nicht alles war wie im letzten Jahr.
    »Nein, weißt du, den konnten wir nicht mehr finden. Deshalb hat Papa einen neuen gekauft ...«
    »Komisch ...«
    Cecilie blickte sich im Zimmer um, die anderen sahen es genau. Sie beobachteten Cecilie und folgten zugleich ihrem Blick.
    Keine Ecke war dunkel. Cecilie zählte siebenundzwanzig Kerzen - genauso viele Kerzen wie Ringe an der Gardinenstange. Das war wirklich ein lustiger Zufall!
    Die vielen Geschenke lagen unter dem Baum. Der einzige Unterschied zum letzten Jahr war, daß Großvater nicht mehr den Weihnachtsmann spielen sollte. Auch das hatte Cecilie so beschlossen.
    »Ich glaube, den Weihnachtsmann-Quatsch will ich nicht mehr.«
    Der Tisch war mit Tellern und Tassen, Kuchenschüsseln und selbstgemachten bunten Marzipanfiguren gedeckt.
    »Möchtest du etwas?«
    »Ein bißchen Zitronenlimonade vielleicht. Und ein Stück Schichtkuchen ohne Kirsche.«
    Alle standen um sie herum. Lasse hielt sich im Hintergrund. Er schien es ein bißchen unheimlich zu finden, daß Cecilie zur Bescherung heruntergekommen war. Aber alles war sehr feierlich.
    »Gesegnete Weihnachten, Lasse.«
    »Gesegnete Weihnachten.«
    »Und jetzt zu den Geschenken«, sagte Großvater. »Dieses feierliche Amt ist mir übertragen worden.«
    Sie setzten sich um den Baum, und Großvater las die Geschenkaufkleber vor. Cecilie überlegte, daß keines der Pakete Skier oder einen Schlitten enthalten konnte, aber sie wollte erstmal noch nicht sauer werden. Schließlich gab es im Haus viele Stellen, wo noch Geschenke versteckt sein konnten. Das hatte sie schon öfter erfahren.
    »Für Cecilie von Marianne.«
    Marianne war ihre beste Freundin. Sie wohnte auf dem anderen Flußufer, ging aber in Cecilies Klasse.
    Es war ein winzig kleines Päckchen. Konnte da vielleicht
    ein Schmuckstein drin sein? Ein neuer Halbedelstein für ihre Sammlung?
    Sie riß das Papier ab und öffnete eine gelbe Schachtel. Auf einem Wattebausch lag ein roter Schmetterling, eine Brosche . Cecilie nahm ihn heraus. Als sie ihn berührte, änderte er seine Farbe, wechselte von Rot zu Grün. Dann wurde er blau, danach violett.
    »Ein magischer Schmetterling .«
    »... der seine Farbe wechselt, wenn sich die Temperatur verändert«, nickte Papa.
    Alle wollten den Schmetterling anfassen. Wenn sie ihn gegen die Handfläche preßten, wurde er grün oder blau. Nur in Cecilies Hand wurde er violett.
    »Ein Fieberschmetterling«, sagte Lasse. Aber alle taten so, als hätten sie ihn nicht gehört.
    Das nächste Paket war für ihn. Er bekam Jetskier, kurze breite Skier zum Herumjuxen. Von Tante Ingrid und Onkel Einar.
    »Mir wären ja richtige lieber«, sagte Cecilie. »Aber wenn du sie gut findest.«
    Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Unter dem Weihnachtsbaum lagen immer weniger Pakete, dafür füllten sich Stühle und Tische mit Gegenständen.
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