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Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen
Autoren: Melanie Hinz
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Handfläche.
    „Das ist mit einem Pflaster nicht getan. Ich fürchte, das werden wir nähen lassen müssen.“
    Wir?
    „So schlimm ist es nicht.“
    „Doch, das ist es. Ich fahre dich ins Krankenhaus. Aber vorher müssen wir das abbinden. Hast du irgendwo Verbandszeug und vielleicht ein altes, sauberes Handtuch.“
    „Im Badezimmer. Warte …“
    Mein schwacher Versuch, mich zu erheben, wird von ihm gleich abgewendet, indem er mich einfach wieder auf die Couch drückt.
    „Sitzen bleiben. Ich finde es schon.“
    Bereits Sekunden später höre ich ihn im Badezimmer durch meine Schränke stöbern. Viel Spaß mit meinen Tampons und Enthaarungswachs.
    Oh Gott, wie viel Blut habe ich verloren? Meine Sicht verschwimmt und ich traue mich nicht, auf die Schnitte in meiner Hand zu sehen, aus Angst, mich übergeben zu müssen.
    Langsam lasse ich mich zur Seite fallen und bestaune für einen Moment den sich drehenden Raum.
    Ausdauertraining mit anschließendem Blutverlust ist besser als jeder Vollrausch.

4.
    Ich hasse Spritzen. Oder Nadeln jeder Art, die dafür vorgesehen sind, durch meine Haut gebohrt zu werden. Nicht in der Lage, irgendetwas oder irgendjemandem zu widersprechen, habe ich Gabriel mit in den Untersuchungsraum gelassen. Der Arzt ist noch nicht da, doch ich sehe schon die vorbereitete Betäubungsspritze in einer Schale neben mir.
    Jetzt möchte ich mich wie ein bockiges Kleinkind auf den Boden schmeißen und laut „Ich will das nicht!!!“ brüllen, aber das Verhalten ist kaum meinem Alter angemessen.
    „Bist du okay?“
    Wie selbstverständlich hält Gabriel meine Hand und sieht mich dabei besorgt von der Seite an. Ich hätte ihn wirklich draußen lassen sollen.
    „Ich hasse Spritzen. Außerdem musst du nicht hier bleiben. Ich kann mir gleich ein Taxi nehmen.“
    „Unsinn. Außer du willst mich nicht dabei haben, wenn sie dich nähen.“
    Bei der Vorstellung vervielfacht sich meine Angst vor den Nadeln und für einen Moment macht sich ein Gefühl der Enge in meinem Brustkorb breit.
    „Ich will nicht, dass du gehst“, antworte ich nur kleinlaut, dennoch kämpfe ich gegen den Drang, mich an ihn zu klammern.
    „Soll ich jemanden für dich anrufen? Deine Eltern?“
    Das fehlt mir gerade noch.
    „Bloß nicht. Meine Mutter bekommt einen Herzinfarkt und malt sich gleich wieder das Schlimmste aus. Es ist ja nur ein kleiner Schnitt.“
    „Warum hast du das Glas zerdrückt? Ist mein Anblick so erschreckend?“, fragt er mit einem halbherzigen Lächeln.
    Erschreckend? Darauf werde ich nicht antworten. Sonst müsste ich zugeben, wie ich seinen Anblick wirklich finde.
    „Das Glas hatte einen Sprung. Ich wollte es schon längst entsorgen. Offensichtlich zu spät. Generell habe ich zwar viel Kraft in den Händen, aber nicht so viel, dass ich alles zerschmettere, was mir in die Finger kommt.“
    „Gut zu wissen.“ Mit einem schelmischen Grinsen sieht er auf seine Schuhe. Nur zu gerne möchte ich ihm die verirrte Strähne aus der Stirn streichen, doch so weit sollte ich nicht gehen. All das ist schon konfus genug.
    „Wie hast du mich vorhin eigentlich genannt? Als du mich aufgefangen hast? Irgendwas mit Ch…“
    „ Mon chouchou “, antwortet er leise und fährt sich nervös durch den raspelkurzen Kinnbart.
    „Was bedeutet das?“
    Das Eintreten des Weißkittels rettet ihn vor einer Antwort.

    Immer noch peinlich berührt darüber, dass ich mich beim Nähen meiner Hand an Gabriels Schulter verkrochen habe, lasse ich mich von ihm die Treppe zu meiner Wohnung hochführen. Egal was ich sage, ich werde ihn nicht los. Er will mir unbedingt helfen.
    Oben angekommen, falle ich erschöpft auf die Couch.
    „Ich muss dringend duschen“, sage ich mehr zu mir selbst, doch er springt natürlich gleich wieder darauf an.
    „Mit dem Verband solltest du vorsichtig sein. Aber ich kann ihn dir gleich einpacken, wenn du möchtest.“
    Allmählich fängt meine Hand an zu pochen. Die Betäubung hält nicht besonders lange an. Zum Glück hat es die linke Seite getroffen, denn sonst wäre ich recht hilflos.
    „Es ist okay, Gabriel. Du musst nicht meinen Babysitter spielen. Danke, dass du mich gefahren hast, aber jetzt kannst du wirklich wieder rüber in den Shop. Du hast doch sicher noch Arbeit.“
    „Nein, muss ich nicht. Heute habe ich gar keine Termine. Ich hatte nur etwas mit Sam zu besprechen.“
    Vermutlich darüber, wie er mich vorgeführt hat. Und schon bin ich wieder sauer auf ihn.
    „Warum hast du nicht mit mir
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